Leitsatz (amtlich)

1. In Sonderfällen können auch weitere vom Gericht hinzugezogene Personen unabhängig von ihrer Beteiligtenstellung Verfahrenskostenhilfe erhalten.

2. Zur Anwaltsbeiordnung im Sorgerechtsverfahren gem. § 78 Abs. 2 FamFG.

 

Normenkette

FamFG §§ 7, 78 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Coesfeld (Aktenzeichen 12 F 29/11)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt D2 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

Gründe

Die gem. § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Das AG hat zu Unrecht die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt.

Grundsätzlich wird Verfahrenskostenhilfe nur einem Beteiligten i.S.d. § 7 FamFG bewilligt. Das AG hat den Antragsteller als weiteren Verfahrensbeteiligten in dem Beschluss vom 14.4.2011 aufgeführt. Es spricht auch vieles dafür, dass der Antragsteller als leiblicher Vater tatsächlich nach pflichtgemäßem Ermessen gem. § 7 FamFG formell zu beteiligen war. Letztlich kommt es hierauf aber nicht entscheidend an. Denn in Sonderfällen können auch weitere vom Gericht hinzugezogene Personen, die sich im Verfahren äußern, Verfahrenskostenhilfe erhalten (vgl. Keidel-Zimmermann, FamFG, § 76 Rz. 7; a.A. Götsche, FamRZ 2009, 383 [384]). Das ist beispielsweise für die Beteiligung einer Großmutter an dem ihr Enkelkind betreffenden Sorgerechtsverfahren angenommen worden (vgl. OLG Köln FamRZ 1992, 199). Für den leiblichen Vater eines Kindes, der sich in dessen Interesse in einem Sorgerechtsverfahren äußern will, muss dies nach Meinung des Senats ebenfalls schon wegen der verwandtschaftlichen Beziehungen zum Kind gelten.

Entgegen der Auffassung des AG kann auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht abgelehnt werden. Die Frage, ob bei Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe in einer Sorgerechtsstreitigkeit, wie sie hier vorliegt, dem nicht sorgeberechtigten Vater des betroffenen Kindes ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, beurteilt sich nach § 78 Abs. 2 FamFG. Die gesetzliche Vorschrift sieht vor, dass hierzu auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage abzustellen ist. Die Frage, ob eine Sach- und Rechtslage schwierig ist, ist nicht aus Sicht des erfahrenen Familienrichters, sondern aus der Perspektive eines juristischen Laien zu entscheiden, der ohne besondere Vorkenntnisse um Rechtsschutz nachsucht (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 580). Dabei ist die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage auch nicht abstrakt aus Sicht eines fiktiven Beteiligten zu beurteilen, sondern konkret aus der Sicht des Antragstellers. Ausschlaggebend ist der konkrete Einzelfall. Ergänzend zu diesen Voraussetzungen ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH FamRZ 2010, 1427) auch die subjektive Situation des jeweiligen Antragstellers zu berücksichtigen, wobei insbesondere auf dessen Fähigkeit, sich mündlich und schriftlich auszudrücken, abzustellen ist. Entscheidend ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist dem Antragsteller ein Anwalt beizuordnen. Schon der Umfang des Ausgangsbeschlusses vom 14.4.2005, durch den der Kindesmutter die elterliche Sorge entzogen worden war, deutet darauf hin, dass die Sach- und Rechtslage nicht einfach ist. Einem juristischen Laien wie dem Antragsteller ist dabei in der Regel nicht bekannt, welche Voraussetzungen vorliegen und eingehalten werden müssen, damit die elterliche Sorge der Kindesmutter, der die Fähigkeit zur Erziehung des betroffenen Kindes abgesprochen worden war, zurückübertragen werden kann. Ihm wird auch die verfahrensrechtliche Lage nicht bekannt sein. Zwar handelt es sich vorliegend nicht um ein hochstreitiges Verfahren, da der Antragsteller nicht beantragt hat, die elterliche Sorge auf sich zu übertragen; jedoch werden andererseits von den verschiedenen Beteiligten auch keine gleichgelagerten Interessen verfolgt. Zudem hat der Antragsteller, der arbeitslos ist und von SGB-II-Leistungen lebt, angegeben, Schwierigkeiten zu haben, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken, ohne dass das AG zu anderen Erkenntnissen gelangt ist. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass ein Bemittelter in der Lage des Antragstellers vernünftigerweise den Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2736657

FamRZ 2011, 1971

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