Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe: Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts in einem Umgangsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Beurteilung der Frage, ob eine schwierige Sach- oder Rechtslage vorliegt, ist auf die objektiven Umstände aus der Sicht des um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten unter Berücksichtigung seiner individuellen subjektiven Fähigkeiten abzustellen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Umstände, die eine Anwaltsbeiordnung erforderlich machen, tatsächlich vorliegen; in der Regel ist es ausreichend, dass der andere Beteiligte einen Sachverhalt vorträgt, der eine Anwaltsbeiordnung erforderlich erscheinen lässt.

 

Normenkette

FamFG § 78 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bottrop (Beschluss vom 12.05.2010; Aktenzeichen 13 F 158/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 19.5.2010 wird

der Beschluss des AG - Familiengericht - Bottrop vom 12.5.2010 abgeändert. Der Antragstellerin wird im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe Rechtsanwalt T3 aus C zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte beigeordnet.

Die Gerichtsgebühr nach Nr. 1912 KV-FamGKG wird nicht erhoben.

 

Gründe

I. Mit Antrag vom 13.4.2010 hat der Kindesvater (Antragsteller) die Regelung des Umgangs mit den beiden gemeinsamen, im Haushalt der Antragsgegnerin lebenden, minderjährigen Kindern begehrt. Die beteiligten Kindeseltern sind verheiratet. Sie leben seit Oktober 2009 getrennt. Im Termin vor dem Familiengericht am 12.5.2010 haben sie eine einvernehmliche - nicht gerichtlich protokollierte - Umgangsregelung getroffen.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht der Antragsgegnerin gem. den §§ 76 I FamFG, 114 ZPO Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ihren Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt T3 aus C nach § 78 II FamFG abgelehnt. Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Ablehnung der Anwaltsbeiordnung.

II. Die gem. den §§ 76 II FamFG, 127 II 2, 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Das Familiengericht hat die Anforderungen an die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Umgangsverfahren überspannt.

1) Im Verfahren auf Regelung des Umgangsrechts ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht gesetzlich vorgeschrieben. Dem Beteiligten wird daher nach § 78 II FamFG im Rahmen der bewilligten oder zu bewilligenden Verfahrenskostenhilfe, auf seinen Antrag ein Anwalt nur dann beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.

Bei der gebotenen objektiven Bemessung der Schwierigkeit kann jeder der genannten Umstände, d.h. sowohl die Schwierigkeit der Rechtslage als auch die Schwierigkeit der Sachlage für sich allein die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe erforderlich machen. Entscheidend ist dabei, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage eines Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BGH, Beschl. v. 23.6.2010 - XII ZB 232/09 -, FamRZ 2010, 1427). Dabei sind als Abwägungskriterien auch die subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten zu berücksichtigen, insbesondere seine Fähigkeit, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken. Von Bedeutung ist dabei auch, ob sich der andere Beteiligte anwaltlicher Vertretung bedient, wobei jedoch der Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit - nach dem Willen des Gesetzgebers - kein alleinentscheidendes Kriterium für die Beiordnung eines Anwalts sein kann (BGH, a.a.O., Rz. 15 ff., 21 f.; OLG Celle FamRZ 2010, 1267).

2) Vorliegend bestand zwar aus objektiver Sicht keine Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage, weil lediglich über die Ausgestaltung der nach der Trennung der Beteiligten zunächst einvernehmlich geregelten Umgangskontakte des Vaters mit den gemeinsamen Kindern zu entscheiden war. Darüber hinaus waren die Interessen der beteiligten Kindeseltern jedenfalls insoweit gleichgerichtet, als beide den Umgang der Kinder mit dem Vater befürworteten. Das ergibt sich nicht nur aus der einverständlichen Regelung der Beteiligten im Termin vor dem Familiengericht vom 12.5.2010, sondern auch aus dem Inhalt der Antragserwiderungsschrift vom 3.5.2010, in welcher die Kindesmutter hat mitteilen lassen, dass sie keine Einwände gegen die Umgangskontakte des Vaters mit den Kindern habe. Sie hat auch schriftsätzlich keine Bedingungen an die Ausübung des Umgangs gestellt. Unter vergleichbaren Umständen erscheint aufgrund denkbar geringer Meinungsunterschiede zwischen den Kindeseltern im Umgangsverfahren eine Anwaltsbeiordnung in der Regel nicht erforderlich (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 3.2.2010 - 6 WF 363/09 -, abgedruckt bei "juris", Rz. 8; OLG Celle, Beschl. v. 15.2.2010 - 10 WF 59/10 -, FamRZ 2010, 1363; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 6.4.2010 - 9 WF 27/10 -, abgedruckt bei "juris", Rz. 12).

3) Es besteht jedoch die Besonderheit, dass sich der anwaltlich vertretene Antragsteller in seiner Antragsschr...

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