Leitsatz (amtlich)
Zur ausreichenden Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit dem geltend gemacht werden soll, dass der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör dadurch verletzt worden sei, dass die Hauptverhandlung in Abwesenheit des plötzlich verhinderten Verteidigers statt gefunden habe.
Verfahrensgang
AG Lübbecke (Entscheidung vom 10.03.2006) |
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Lübbecke hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 10.03.2006 wegen fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens eine Geldbuße von 50,00 EUR verhängt. An der Hauptverhandlung vom 10.03.2006 hat der Betroffene persönlich teilgenommen, nicht aber sein Verteidiger.
Mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Durchführung der Hauptverhandlung ohne den Verteidiger. Zur Begründung führt er aus, dass der Verteidiger am Terminstage ab 9.30 Uhr Verhandlungstermine vor dem Amtsgericht Minden wahrzunehmen gehabt habe. Aufgrund einer nicht voraussehbaren Verzögerung sei es ihm erst um 10.40 Uhr möglich gewesen, aus Minden loszufahren. Hierüber habe er noch vom Auto aus über Mobiltelefon die Geschäftsstelle des Amtsgerichts informiert, eine entsprechende Nachricht sei dem Vorsitzenden auch übermittelt worden. Aufgrund einer Baustelle habe sich die Fahrt von Minden nach Lübbecke abermals um einige Minuten verzögert, worüber der Verteidiger noch einmal etwa um 11.15 Uhr telefonisch die Geschäftsstelle unterrichtet habe. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass die Hauptverhandlung bereits begonnen habe und das Kommen sich nicht mehr lohne, da der Termin gleich zu Ende sei. Der Verteidiger habe daraufhin davon abgesehen zum Gericht zu fahren und sei in seine Kanzlei zurückgekehrt.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerdeerweist sich bereits als unzulässig. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen ist von der Rechtsbeschwerde nicht in zulässiger Weise geltend gemacht worden.
Grundsätzlich obliegt es dem Betroffen selbst sowie dem von ihm gewählten Verteidiger, durch geeignete Abreden und Vorkehrungen die rechtzeitige Anwesenheit des Verteidigers in der Hauptverhandlung sicherzustellen (Senat, NZV 1997, 408, 409). Dies ergibt sich bereits aus dem gem. § 46 OWiG auch für das Bußgeldverfahren geltenden Bestimmungen des § 228 Abs. 2 StPO, wonach eine Verhinderung des Verteidigers abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall der notwendigen Verteidigung gem. § 145 StPO dem Angeklagten bzw. dem Betroffenen gerade kein Recht gibt, die Aussetzung der Hauptverhandlung zu verlangen (Senat, a.a.O.). Andererseits hat der Betroffene nicht nur einen Anspruch darauf, sich im Bußgeldverfahren der Hilfe eines Verteidigers zu bedienen (§ 137 Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWi), sondern auch ein Recht auf ein faires Verfahren, dem auf Seiten des Gerichts eine prozessuale Fürsorgepflicht entspricht, die es nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung in aller Regel gebietet, im Falle des nicht angekündigten Ausbleibens des Verteidigers einen Zeitraum von etwa 15 Minuten zuzuwarten, bevor mit der Hauptverhandlung begonnen wird (Senat, a.a.O.).
Eine über 15 Minuten hinausgehende Wartepflicht wird dagegen nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, in denen besondere Umstände ein solches längeres Zuwarten gebieten (Senat, a.a.O.; Tolksdorf, in: KK-StPO, 5. Aufl., § 228 Rdn. 10 m.w.N.; Berliner Verfassungsgerichtshof NJW RR 2000, 1451). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Verteidiger seine Verspätung dem Gericht gegenüber angekündigt, insbesondere mitgeteilt hatte, dass er wegen eines Verkehrsstaus nicht pünktlich erscheinen könne (Berliner Verfassungsgerichtshof, a.a.O. m.w.N.). Maßgeblich sind aber stets die Umstände des Einzelfalls, wobei die Bedeutung der Sache, die Lage des Verfahrens bei Eintritt des Verhinderungsfalls, der Anlass für die Terminsversäumnis, die Voraussehbarkeit und die voraussichtliche Dauer der Verhinderung berücksichtigt und abgewogen werden müssen (Berliner Verfassungsgerichtshof, a.a.O.).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs hier bereits nicht in zulässiger Weise ausgeführt worden.
Bei der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs handelt es sich um eine Verfahrensrüge nach §§ 80 Abs. 3 OWi, 344 Abs. 2 S. 2 StPO (allgemeine Meinung, vgl. nur Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 79 Rdn. 27 Buchst. d).
Die an die Zulässigkeit einer solchen Verfahrensrüge zu stellenden Anforderungen sind nur dann erfüllt, wenn die Mitteilung der den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen so vollständig und genau ist, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Beschwerderechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. Meier-Gossner, 48. Aufl., § 344 StPO Rdn. 24; Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 79 Rdn. 57 Buchst. d - j...