Leitsatz (amtlich)

Der Streitwert des Anspruches auf Auflassung eines Grundstücks ist auch dann nach dem Verkehrswert des Grundstücks zu bemessen, wenn die Auflassung wegen einer geringfügigen Gegenforderung verweigert wird.

 

Normenkette

ZPO § 6

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 9 O 358/00)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Streitwert wird für die Zeit bis zum 28.6.2001 auf 279.899,22 DM (= 143.110,20 Euro) festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit notariellem Kaufvertrag vom 9.2.1996 erwarben die Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung mit Garage, für die sie letztendlich einen Kaufpreis von 266.500 DM zu zahlen hatten.

Mit ihrer Klage haben sie die Auflassung des verkauften Wohnungseigentums verlangt.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Widerklage erhoben, mit der sie die Verurteilung der Kläger zur Zahlung eines Restkaufpreises i.H.v. 13.399,22 DM verlangt hat.

Die Kläger haben die Abweisung der Widerklage begehrt.

Nachdem die Beklagte die Auflassung erklärt hatte und die Eigentumsumschreibung erfolgt war, hat die Beklagte die Widerklage in der mündlichen Verhandlung vor dem LG am 29.6.2001 zurückgenommen. Die Parteien haben den Rechtsstreit sodann in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das LG hat den Streitwert mit Beschluss vom 29.6.2002 für die Zeit bis zum 28.6.2001 auf 279.899 DM und für die Zeit ab dem 29.6.2001 auf bis zu 14.000 DM festgesetzt. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde der Beklagten hat es mit Beschluss vom 11.9.2001 den Streitwert für die Zeit bis zum 28.6.2001 auf 26.798,44 DM, jeweils 13.399,22 DM für die Klage und die Widerklage, festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es in den Fällen, in denen die Auflassung nur wegen einer geringfügigen Gegenforderung verweigert werde, zur Vermeidung eines Prozesses mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko sachgerecht sei, den Wert der Auflassungsklage nach dem Wert der bestrittenen Gegenforderung zu bemessen.

Gegen den Beschluss des LG vom 11.9.2001 hat der Bezirksrevisor bei dem LG Essen Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, dass der Streitwert für die Zeit bis zum 28.6.2001 erneut auf 279.899 DM festgesetzt wird.

II. Die gem. § 25 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 18.11.1999 (21 W 8/99) entschieden, dass sich der Streitwert des Anspruches auf Auflassung eines Grundstücks gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert eines Grundstücks bemisst, und zwar auch dann, wenn die Auflassung nur wegen einer geringfügigen Gegenforderung verweigert wird. An dieser – herrschenden – Auffassung hält der Senat fest.

Die Gegenauffassung (u.a. Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rz. 16 Stichwort „Auflassung”; Schneider, MDR 1984, 266; Lappe in MünchKomm/ZPO, § 6 Rz. 12; OLG Frankfurt v. 11.10.1995 – 23 W 14/95, OLGReport Frankfurt 1996, 58 = NJW-RR 1996, 636 [637]; OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 1993, 348), die auf eine wirtschaftliche Betrachtung abstellt, will den Streitwert der Auflassungsklage gem. § 3 ZPO nach der noch streitigen Gegenforderung bemessen.

Zur Begründung führt sie an: Die h.M. ignoriere wirtschaftliche Gesichtspunkte und könne zu absurden Ergebnissen führen (Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rz. 16 Stichwort „Auflassung”), sie stütze sich auf formalistische und vordergründige Argumente (OLG Frankfurt v. 11.10.1995 – 23 W 14/95, OLGReport Frankfurt 1996, 58 = NJW-RR 1996, 636 [637]). Die Anwendung des § 6 ZPO sei von seinem Wortlaut her nicht zwingend, die Bestimmung regele den Streit um den Besitz an einer Sache, während der Auflassungsanspruch nicht unmittelbar auf die Besitzverschaffung gerichtet sei. Die h.M. berücksichtige nicht, dass es bei einem Auflassungsverlangen um sehr unterschiedliche Interessen gehen könne, je nachdem, aus welchem Grunde es noch nicht zur Erteilung der Auflassung gekommen sei. Das müsse das Kostenrecht berücksichtigen, was i.Ü. auch in § 6 S. 2 ZPO zum Ausdruck komme. Es gehe nicht an, den Käufer eines noch aufzulassenden Grundstücks, der bis auf einen umstrittenen geringfügigen Restbetrag den gesamten Kaufpreis beglichen habe, ebenso wie denjenigen, der noch nichts gezahlt habe, mit den Prozesskosten aus dem vollen Preis zu belasten, wenn er schließlich die ihm vermeindlich zukommende Auflassung durchsetzen wolle. Folge man der h.M., schließe das Kostenrisiko bei geringfügigen Restforderungen die Durchsetzung des Auflassungsanspruches praktisch aus. Das könne eine in Höhe der streitigen Restforderung erhobene negative Feststellungsklage nicht ausgleichen (vgl. i.E. OLG Frankfurt v. 11.10.1995 – 23 W 14/95, OLGReport Frankfurt 1996, 58 = NJW-RR 1996, 636 [637]).

An der h.M. (u.a. Schwerdtfeger in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 3 Rz. 34; Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 12 GKG Anh. I (§ 6 ZPO), Stichwort „Auflassung”; Stein/Jonas/Roth, ZPO-Kom., 1. Aufl., § 6 Rz. 25; OLG Celle v. 7.9.1998 – 16 W 58/98, OLGReport Celle 1999, 200; OLG Nürnberg MDR 1995, 966; OLG München v. 10.3.1997 – 28 W 2542/96, MDR 1997, 599 = NJW-RR 1998, 142 f.) ist festzuhalten.

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