Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliches Gehör. Rügevoraussetzungen
Leitsatz (amtlich)
Wird im Rechtsbeschwerdeverfahren nach den §§ 116 ff. StVollzG eine Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, muss der Betroffene zur Erhebung einer hinreichend ausgeführten Rüge auch darlegen, was er im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs geltend gemacht hätte. Ansonsten kann das Rechtsbeschwerdegericht nicht hinreichend prüfen, ob der gesetzlich nicht geregelte, aber anerkannte Zulassungsgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegt und die angefochtene Entscheidung darauf beruht.
Normenkette
StVollzG §§ 116, 120; GG Art. 103 Abs. 1; StPO § 344 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.04.2013; Aktenzeichen 055 StVK 168/13) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 19. April 2013 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Betroffene verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren wegen erpresserischen Menschenraubes in der JVA Düsseldorf. Im Anschluss ist noch eine Restjugendstrafe von 217 Tagen von ursprünglich 5 Jahren und 3 Monaten wegen schweren Menschenhandels u.a. zu vollstrecken. Das Strafende ist auf den 27.03.2016 notiert.
Der Betroffene begehrte vor dem Hintergrund seiner beabsichtigten Teilnahme an einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme zum Gärtner mit Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau im offenen Vollzug der JVA Bochum-Langendreer die Feststellung seiner Eignung für Vollzugslockerungen.
Einen entsprechenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 07. März 2013 sowie einen Antrag auf entsprechende Feststellung im Wege der einstweiligen Anordnung wies die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. April 2013 als unbegründet zurück. Aus den Gründen einer Stellungnahme der JVA Düsseldorf vom 16. April 2013 ergebe sich, dass die Erwägungen der JVA Düsseldorf, den Betroffenen als derzeit nicht lockerungsgeeignet anzusehen, unter Berücksichtigung des bestehenden Ermessensspielraums nicht zu beanstanden seien.
Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Eignung des Betroffenen für den offenen Vollzug festzustellen, hilfsweise, die JVA Düsseldorf zu verpflichten, die Eignung des Betroffenen für den offenen Vollzug festzustellen und diese Feststellung in den Vollzugsplan aufzunehmen, weiter hilfsweise, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur Nachholung rechtlichen Gehörs an das Landgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.
Er hat die Verletzung rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG gerügt, weil die Strafvollstreckungskammer den angefochtenen Beschluss ohne Gewährung beantragter Akteneinsicht und ohne Anhörung zur Stellungnahme der JVA Düsseldorf erlassen habe.
Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat Stellung genommen und die Rechtsbeschwerde mangels Zulassungsgrundes der Fortbildung des Rechts oder einer Sicherung einer Einheitlichkeit der Rechtsprechung für unzulässig erachtet.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat lediglich insoweit Erfolg, als die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf zurückzuverweisen ist.
Die gemäß § 118 StVollzG form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft. Sie ist im vorliegenden Einzelfall zuzulassen, weil der zwar nicht in § 116 StVollzG verankerte, aber allgemein anerkannte weitere Zulassungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. Calliess/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 11. Auflage 2008, § 116 Rdnr. 3; Arloth, Strafvollzugsgesetz, 3. Aufl., § 116 Rdnr. 3 jeweils m.w.N.) durchgreift.
Allerdings ist zweifelhaft, ob der Betroffene eine entsprechende Verfahrensrüge in zulässiger Weise gemäß der §§ 120 Abs. 1 StVollzG, 344 Abs. 2 StPO erhoben hat. Er hat lediglich - zutreffend - ausgeführt, dass die Strafvollstreckungskammer ihm keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Schreiben des Leiters der JVA Düsseldorf vom 16. April 2013 gewährt habe. Unabhängig davon, dass sich eine gerichtliche Verfügung zur Übersendung dieser Stellungnahme an den Betroffenen oder seinen Verfahrensbevollmächtigten nicht in den Akten befindet, ergibt sich schon aus den Daten der Stellungnahme und der Beschlussfassung (16. und 19. April 2013), dass eine ordnungsgemäße Anhörung nicht erfolgt sein kann.
Damit hat die Strafvollstreckungskammer das rechtliche Gehör des Betroffenen gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, zumal sie ihrer Würdigung maßgeblich auch die Umstände zugrunde gelegt hat, die sich aus der Stellungnahme des Leiters der JVA Düsseldorf vom 16. April 2013 ergeben. Die Verfahrensbeteiligten müssen grundsätzlich Gelegenheit haben, sich zu Stellungnahmen der Gegenseite in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern (vgl. nur ...