Entscheidungsstichwort (Thema)

Auswählkriterien für Bestellung eines anderen Vormunds

 

Normenkette

BGB §§ 1773, 1779, 1791a, 1791b

 

Verfahrensgang

AG Dülmen (Beschluss vom 14.04.2011; Aktenzeichen 6 F 41/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des beteiligten Jugendamtes der Stadt E wird der Be-schluss des AG - Familiengericht -Dülmen vom 14.4.2011 teil-weise abgeändert.

Zum neuen Vormund wird der Verein E2 e.V. - Ortsverein E - bestellt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

Gründe

I. Das bisher zum Vormund für das betroffene Kind bestellte Jugendamt der Stadt J hat mit Schreiben vom 12.1.2011 gebeten, das Jugendamt der Stadt J aus dem Amt als Vormund zu entlassen, da das betroffene Kind bereits seit dem 15.5.2007 in einer Pflegefamilie in E lebe. Das Jugendamt der Stadt E hat im Rahmen seiner Anhörung die Übernahme der Vormundschaft mit dem Hinweis abgelehnt, dass mit dem E3 e.V. ein Vereinsvormund vorhanden sei, der anstelle des Jugendamtes der Stadt E die Vormundschaft übernehmen könne. Das AG hat die Pflegeeltern, den neuen Amtsvormund und die Kindesmutter schriftlich zu dem Antrag angehört, eine Stellungnahme ist allerdings nur vom Jugendamt der Stadt E erfolgt.

Durch Beschluss vom 14.4.2011 hat das AG die Stadt E zum neuen Vormund bestellt und dies damit begründet, dass es sich bei dem E3 e.V. nicht um einen Einzelvormund i.S.d. § 1791b I 1 BGB handele. Gegen diesen Beschluss hat das Jugendamt der Stadt E rechtzeitig Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die Bestellung des Jugendamtes E sei unter Nichtbeachtung der bei der Vormundschaftsbestellung bestehenden Rangfolge erfolgt. Gegenüber der Bestellung des Jugendamtes sei vorrangig auch ein rechtsfähiger Verein zu bestellen. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass das Pflegekind bereits seit dem 25.5.2007 in einer Eer Pflegefamilie lebe und das Vollzeitpflegeverhältnis vom Adoptions- und Pflegekinderdienst des E3 e.V. betreut werde, so dass es im Kindeswohlinteresse angezeigt sei, auch diesen Verein, bei dem besondere qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung ständen, mit der Übernahme der Vereinsvormundschaft zu betrauen.

II. Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige - insbesondere form- und fristgerecht eingelegte - Beschwerde des beteiligten Jugendamtes der Stadt E hat in der Sache Erfolg.

Bei der gem. §§ 1773, 1779, 1889 Abs. 2 BGB auf Antrag des bisherigen Vormundes vorzunehmenden Entlassung desselben und der Bestellung eines anderen Vormundes für das betroffene Kind ist hinsichtlich der Auswahl des Vormundes in erster Linie auf die Interessen des Kindes abzustellen (OLG Hamm FamRZ 2010, 1684). Dabei ist das Anliegen des bisherigen Vormundes - des Jugendamtes der Stadt J - aus der Vormundschaft entlassen zu werden, auch unter Berücksichtigung von Kindeswohlgesichtspunkten berechtigt. Das Kind lebt inzwischen seit mehreren Jahren in der Stadt E, so dass ein auch räumlich näher zu dem Kind in E residierender Vormund die Kindesinteressen besser wahrnehmen kann, da dieser erforderlichenfalls kurzfristig einen persönlichen Kontakt zu diesem und seinen Pflegeeltern herstellen kann. Grundsätzlich kann zwar auch das Jugendamt der Stadt E als neuer Vormund bestellt werden, soweit kein ehrenamtlicher Einzelvormund zur Übernahme zur Verfügung steht, § 1791b BGB. Ein gesetzlich vorgeschriebenes Rangverhältnis zwischen Vereinsvormundschaft gem. § 1791a BGB einerseits und Vormundschaft des Jugendamtes gem. § 1791b BGB anderseits besteht allerdings nicht. Vielmehr hat das AG bei der Auswahl des Vormundes sein Ermessen unter Beachtung von Kindeswohlgesichtspunkten auszuüben. Hierbei können auch keine fiskalischen Überlegungen im Vordergrund stehen, da diese nicht unter Kindeswohlgesichtspunkten für die Auswahl maßgeblich sind. Vorliegend führt diese am Wohl des Mündels orientierte Entscheidung zur Bestellung des E2e. V- Ortsverein E - zum neuen Vormund. Denn dieser Verein begleitet bereits seit Mai 2007 - der Übersiedlung des Kindes in seine jetzige Pflegefamilie in E - das Vollzeitpflegeverhältnis im Rahmen seines Adoptions- und Pflegekinderdienstes und hat durch seine Mitarbeiter seit Jahren regelmäßigen Kontakt zu dem Kind, wie sich aus den in regelmäßigen Abständen gefertigten Jahresberichten/Entwicklungsberichten an die Stadt J als bisherigem Vormund ergibt. Es liegt jedoch im Kindesinteresse, einen Vormund zu erhalten, der bereits seit Jahren mit den Pflegeverhältnissen befasst ist und zu dem bereits seit längerer Zeit ein persönlicher Kontakt sowohl des Kindes als auch seiner Pflegefamilie besteht. Gerade dies ist bei dem Jugendamt der Stadt E, im Gegensatz zu dem Verein E2 e.V. bisher nicht der Fall und dürfte und auch in Zukunft angesichts der vom Jugendamt zu betreuenden Fallzahlen nicht in einem derartigen Umfange möglich sein, wie dies durch den E2 e.V. gewährleistet erscheint. Die - im Regelfall sich wohl nur äußerst selten realisierende - Möglichkeit einer nachrangigen Haftung des Mündels für Vergütungsansprüche des Vereins (§§ 1836c, 1836e BGB BGB) tritt hinter diese...

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