Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Bevollmächtigung der Verfahrensbevollmächtigten eines an Demenz erkrankten Ehegatten durch dessen gesetzlichen Betreuer für einen wirksamen Ehescheidungsantrag gemäß den §§ 125 Abs. 2 S. 2, 287 Abs. 1 FamFG, 1564 S. 1 BGB.
2. Eine einseitige, dem Familiengericht den Ausspruch der Ehescheidung ermöglichende Zerrüttung der Ehe lässt sich gemäß den §§ 1565, 1566, 1567 BGB jedenfalls feststellen, wenn die Ehegatten unstreitig seit mehr als einem Jahr räumlich getrennt voneinander leben und die Anhörung des an Demenz erkrankten Antragstellers nach § 128 FamFG sowie das übrige Ergebnis der Beweisaufnahme den Rückschluss zulassen, dass dieser zum Zeitpunkt der Trennung bzw. zu einem danach liegenden Zeitpunkt noch den hinreichend sicheren natürlichen Willen zur Trennung und Ehescheidung sowie die Ablehnung der Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft erklärt hat.
3. Darauf, dass bei dem an Demenz erkrankten Antragsteller zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung hingegen kein natürlicher Trennungs- und Scheidungswillen mehr festgestellt werden kann, kommt es nicht für den Ausspruch der Ehescheidung an. Ist nämlich der antragstellende Ehegatte wegen einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, das Wesen einer Ehe und einer Ehescheidung erfassen zu können, ist bei ihm ein Zustand äußerster Eheferne erreicht, bei dem die Ehe der mehr als ein Jahr getrennt lebenden Ehegatten scheidbar ist.
4. Im Ehescheidungsverbund kann zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr in zulässiger Form hilfsweise für den Fall, dass das Familiengericht die abgelehnte Ehescheidung auszusprechen beabsichtigt, ein Stufenantrag zum Nachscheidungsunterhalt mit Auskunftsanträgen und unbeziffertem Zahlungsantrag gestellt werden.
5. Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Aufstockungsunterhaltsanspruch aus § 1573 Abs. 2 BGB im Rahmen von Stufenanträgen dem Grunde nach hinreichend schlüssig dargelegt ist, gem. § 1579 Nr. 1 BGB wegen sehr kurzer Ehedauer verwirkt sein kann und gem. § 1578b BGB herabgesetzt oder befristet werden kann.
Verfahrensgang
AG (Beschluss vom 11.01.2013) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - xxx vom 11.1.2013 (Az.: xxx) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
2. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 32.000 EUR festgesetzt (Scheidung: 7.000 EUR, Versorgungsausgleich: 1.000 EUR, nachehelicher Unterhalt: 24.000 EUR).
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren weiterhin um die Ehescheidung und die Verpflichtung des Antragstellers zur Auskunftserteilung zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie zur Zahlung von Nachscheidungsunterhalt.
[...]
Mit Beschluss vom 11.1.2013 hat sodann das AG die Ehe der Beteiligten geschieden, die Durchführung des Versorgungsausgleichs ausgeschlossen und den Antrag der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung verweist der Senat auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses.
Mit ihrer Beschwerde strebt die Antragsgegnerin eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses gemäß ihrem erstinstanzlich zuletzt gestellten Antrag auf Zurückweisung des Scheidungsantrags des Antragstellers sowie hilfsweise weiterhin die Auskunftserteilung zum und Zahlung von nachehelichem Unterhalt bzw. die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an. Sie macht im Wesentlichen Folgendes geltend:
Die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe seien nicht gegeben, jedenfalls aber entgegen der Auffassung des AG nicht bewiesen. Insoweit verbleibe es bei dem erstinstanzlichen Sachvortrag einschließlich der noch nicht erledigten Beweisantritte. Sie - die Antragsgegnerin - halte es insbesondere nicht für statthaft, wenn das AG beispielsweise darauf abstelle, dass die Zeugen L und P keinerlei Zweifel daran gehabt hätten, dass der Antragsteller auf eigenen Wunsch nicht mehr bei ihr lebe. Grund und Gegenstand des Gesprächs zwischen den Kriminalbeamten und dem Antragsteller seien nicht die Einzelheiten des Ehelebens der Beteiligten gewesen, vielmehr sei es lediglich um eine von ihr erstattete Vermisstenanzeige gegangen. Dort hätten irgendwelche Überlegungen der die Sache bearbeitenden Kriminalbeamten über den Zustand der Ehe der Beteiligten nichts verloren. Insbesondere könnten die Bekundungen des Zeugen L dazu, welchen "Eindruck" von der Sache und welches "Gefühl" er gehabt habe, nicht den Beweis führen, dass der Antragsteller im Dezember 2011 gegenüber unbefangenen Dritten klipp und klar als Ausdruck seiner freien Meinungsäußerung angegeben habe, er wolle mit ihr - der Antragsgegnerin - nichts mehr zu tun haben bzw. sich scheiden lassen. Dies gelte entsprechend für die Ausführungen des Zeugen I2. Aus einer reinen Abwehrhaltung des Antragstellers, damals das eheliche Haus wieder zu betreten, kön...