Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Überprüfung der Rechtswidrigkeit einer Haftanordnung des AG ist das LG nicht an die rechtliche Einordnung des Haftgrundes durch das AG gebunden.
2. Das LG ist deshalb nicht gehindert, den vom AG gem. § 57 Abs. 2 S. 1 AuslG angenommenen Haftgrund durch denjenigen nach § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG zu ersetzen und in diesem Rahmen eigene Ermessenserwägungen vorzunehmen.
Verfahrensgang
LG Dortmund (Beschluss vom 29.08.2003; Aktenzeichen 9 T 513/03) |
AG Unna (Beschluss vom 30.06.2003; Aktenzeichen 6 XIV 1438 B) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die sofortige Erstbeschwerde hinsichtlich des Feststellungsantrags zu Ziff. 2) als unzulässig verworfen wird.
Gründe
I. Der Betroffene reiste am 11.12.1996 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das nach Durchführung des Asylverfahrens von dem Betroffenen durchgeführte verwaltungsgerichtliche Verfahren blieb erfolglos. In der Folgezeit wurde der Aufenthalt des seit Oktober 2002 vollziehbar zur Ausreise verpflichteten Betroffenen geduldet, da dieser über keine Ausweispapiere verfügte und zunächst ein Verfahren zur Beschaffung von Passersatzpapieren eingeleitet werden musste. Nach Vorlage entsprechender Papiere war die Abschiebung des Betroffenen auf dem Luftwege für den 4.7.2003 vorgesehen. Am 30.6.2003 wurde der Betroffene in den Diensträumen des Beteiligten zu 2) festgenommen, als er dort um die Verlängerung seiner Duldung nachsuchte.
Der Beteiligte zu 2) hat mit Schreiben vom 30.6.2003 bei dem AG beantragt, gem. § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG gegen den Betroffenen im Hinblick auf seine beabsichtigte Abschiebung auf dem Luftweg die Abschiebungshaft für die Dauer von zwei Wochen anzuordnen. Das AG hat am 30.6.2003 den Betroffenen unter Zuziehung eines Dolmetschers persönlich angehört und durch Beschluss vom selben Tag die Abschiebungshaft bis zum 13.7.2003 angeordnet. Das AG hat in den Gründen seine Entscheidung auf die Vorschrift des § 57 Abs. 3 AuslG sowie in tatsächlicher Hinsicht darauf gestützt, es bestehe die Gefahr, dass der Betroffene untertauchen werde.
Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 3.7.2003 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er geltend gemacht hat, die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebungshaft lägen nicht vor, da sein Aufenthaltsort dem Beteiligten zu 2) bekannt gewesen sei.
Der Betroffene ist am 4.7.2003 aus der Haft entlassen und in sein Heimatland abgeschoben worden. Er hat im Erstbeschwerdeverfahren daraufhin beantragt festzustellen: 1. dass die gegen ihn angeordnete Abschiebungshaft rechtswidrig gewesen sei und 2. er für die erlittene Haft zu entschädigen sei. Mit Beschluss vom 29.8.2003 hat das LG die sofortige Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, die er mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 25.9.2003 rechtzeitig bei dem LG eingelegt hat.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 103 Abs. 2 AuslG, 7 Abs. 1, 3 S. 2 FEVG, 27 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Betroffenen folgt bereits daraus, dass seine sofortige erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG in Bezug auf den Feststellungsantrag zu Ziff. 1) zu Recht von einer zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Betroffenen ausgegangen. Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht insoweit nicht entgegen, dass sich durch den Vollzug der Abschiebung das Verfahren in der Hauptsache erledigt hat. Denn nach der Rspr. des BVerfG (BVerfG v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456) muss im Hinblick auf das Gebot der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ein Rechtsschutzinteresse für eine nachträgliche feststellende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Abschiebungshaftmaßnahme unabhängig davon bejaht werden, ob nach dem Inhalt der Maßnahme typischerweise der Rechtsschutz des Betroffenen unter Ausschöpfung des vorgesehenen Instanzenzugs vor ihrer sachlichen Erledigung gewährt werden kann.
Diese Beurteilung trifft indessen nicht für den weiteren Antrag des Betroffenen zu festzustellen, dass er für die erlittene Abschiebungshaft zu entschädigen sei. Etwaige Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche aus nach Ansicht des Betroffenen zu Unrecht erlittener Abschiebungshaft auf der Grundlage des Art. 5 EMRK oder § 839 BGB sind vor den ordentlichen Gerichten der Zivilgerichtsbarkeit geltend zu machen (Gollwitzer in Loewe/Rosenberg, StPO, 24. Aufl., MRK, Art. 5, Rz. 138; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., MRK, Art. 5 Rz. 14). Diese prüfen in eigener Verantwortung das Vorliegen der Voraussetzungen eines Schaden...