Leitsatz (amtlich)
Die Verfügungsbefugnis des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren zur rechtsgeschäftlichen Veräußerung einer Immobilie des Insolvenzschuldners wird durch § 313 Abs. 3 S. 1 InsO nicht beschränkt.
Normenkette
InsO § 313 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
AG Dortmund (Aktenzeichen D-64290-28) |
Tenor
Die Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das AG zurückverwiesen.
Gründe
I.) Die Beteiligte zu 1) ist Treuhänderin im Rahmen eines vereinfachten Insolvenzverfahrens. Durch notariellen Vertrag vom 25.8.2010 hat sie ein dem Schuldner gehörendes Wohnungseigentum auf die Beteiligten zu 2) übertragen, die als Gegenleistung in befreiender Weise die dinglichen Belastungen und die diesen zugrunde liegenden persönlichen Verbindlichkeiten übernahmen. Der Notar hat unter Vorlage einer Ausfertigung der die Auflassung enthaltenden Vertragsurkunde u.a. die Umschreibung des Eigentums beantragt. Das Grundbuchamt hat den Antrag im Wege der Zwischenverfügung beanstandet und die Vorlage einer Zustimmungserklärung der eingetragenen Grundschuldgläubigerin in der Form des § 29 GBO verlangt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten.
II.) Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes beruht auf der Auffassung, dass § 313 Abs. 3 S. 1 InsO eine Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Treuhänders über das Schuldnervermögen (§§ 313 Abs. 1 S. 1, 80 Abs. 1 InsO) darstellt. Denn nur dann wäre die Zustimmung des Grundpfandgläubigers in der Form der § 29 GBO nachzuweisen.
Der Senat schließt sich der mittlerweile wohl h. A., wonach § 313 Abs. 3 S. 1 InsO jedenfalls keine dinglich wirksame Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Treuhänders ist (vgl. LG Braunschweig BeckRS 2009, 23907; LG Kiel Rpfleger 2004, 730; Kesseler MittBayNot 2007, 22ff; Uhlenbruch/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 313 Rz. 106a; Gutachten DNotI 2007, 129 f.; wohl auch Wimmer/Kothe/Busch, InsO, 6. Aufl., § 313 Rz. 90; unklar Hamburger Kommentar/Nies, InsO, 3. Aufl. 2009, der davon ausgeht, dass dem Treuhänder eine Verfügung mit Zustimmung der absonderungsberechtigten Gläubiger möglich sei, was aber voraussetzt, dass der Treuhänder im Grundsatz verfügungsbefugt ist; ablehnend etwa Braun/Buck, InsO, 3. Aufl., § 313 Rz. 28). Danach gehört das Einvernehmen der absonderungsberechtigten Gläubiger, dass der Treuhänder im insolvenzrechtlichen Innenverhältnis möglicherweise wird herbeiführen müssen, schon nicht in den Prüfungsumfang des Grundbuchamtes, und muss dementsprechend auch nicht nachgewiesen werden muss.
Für eine derartige Sicht spricht nach Auffassung des Senats zunächst der Gesetzeswortlaut. Gemäß §§ 313 Abs. 1 S. 1, 80 Abs. 1 S. 1 InsO erwirbt auch der Treuhänder mit der Eröffnung des (vereinfachten) Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse hinsichtlich der Insolvenzmasse. § 313 Abs. 3 S. 1 InsO wäre nur dann als Einschränkung dieses Grundsatzes, also als echte Verfügungsbeschränkung zu verstehen, wenn man unter Verwertung jegliche Verfügung über den von Absonderungsrechten betroffenen Gegenstand verstehen würde. Insoweit spricht die Systematik der InsO jedoch dafür, dass unter Verwertung i.S.d. § 313 Abs. 3 S. 1 InsO nur das Verfahren nach dem ZVG zu verstehen ist (§ 49 InsO), zumal der nachfolgende S. 2 der Vorschrift das Verwertungsrecht den absonderungsberechtigten Gläubigern vorbehält. Deren Befugnis beschränkt sich aber auf die Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung, so dass auch das dem Treuhänder in S. 1 der Vorschrift versagte Verwertungsrecht inhaltlich nicht anders verstanden werden kann (Kesseler, a.a.O., S. 24).
Auch aus der Gesetzeshistorie ergeben sich für den Senat keine durchgreifenden Bedenken gegen eine solche Auslegung des § 313 Abs. 3 S. 1 InsO. Soweit hinsichtlich der Ursprungsfassung der InsO gegen eine restriktive Auslegung des § 313 Abs. 3 InsO in diesem Punkt eingewandt wurde, dass es gerade die Zielsetzung des Gesetzgebers gewesen sei, den Aufgabenkreis des Treuhänders gegenüber demjenigen des Regel-Insolvenzverwalters einzuschränken, schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen von Kesseler (a.a.O. S. 23 sub 2a)) an. Danach treffen die kostenrechtlichen Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren (vgl. BT-Drucks. 12/7302 S. 193 f.) auf den Fall der freihändigen Veräußerung nicht zu.
Bedenklicher könnte erscheinen, dass § 313 Abs. 3 S. 3 InsO durch das InsOÄndG 2003 gerade in Erkenntnis der zweckwidrigen Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Treuhänders nach dem Wortlaut des § 313 Abs. 3 InsO a.F. eingeführt worden ist (vgl. BT-Drucks. 14/5680, 33). Dies könnte man so interpretieren, dass der historische Gesetzgeber die Handlungsbefugnisse des Treuhänders zwar erweitern, ihn insoweit aber auf das förmliche Verfahren nach den §§ 313 Abs. 3 S. 3, 173 Abs. 2 InsO beschränken wollte. Der subjektive Wille des historischen Gesetzgebers kann für die Auslegung allerdings nur dan...