Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Beginn der Wiedereinsetzungsfrist bei fehlender Rechtsmittelbelehrung der anwaltlich vertretenen Partei in einem Unterhaltsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Das Hindernis ist i.S.d. § 234 Abs. 2 ZPO behoben, wenn der von dem Beteiligten beauftragte Rechtsanwalt bei Anwendung äußerster Sorgfalt die Fristversäumung erkennen konnte. Letzteres ist trotz falscher Fristnotierung durch eine Büroangestellte der Fall, wenn für den Anwalt der Fristablauf aufgrund des bei seinen Handakten verbliebenen Originals des Empfangsbekenntnisses bei Fertigung der Rechtsmittelschrift ersichtlich war.
2. Zwischen der entgegen § 39 FamFG unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung und der Fristversäumung fehlt es an einem ursächlichen Zusammenhang, wenn der Beteiligte anwaltlich vertreten war. Die Vermutungswirkung des § 17 Abs. 2 FamFG kommt daher dem Beteiligten nicht zugute, selbst wenn man die Vorschrift auf Familienstreitsachen analog anwendet.
Normenkette
ZPO § 234; FamFG §§ 17, 39
Verfahrensgang
AG Bochum (Beschluss vom 31.08.2010; Aktenzeichen 59 F 105/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners vom 15.10.2010 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bochum vom 31.8.2010 - 59 F 105/10 - wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Verfahrenswert: 11.101 EUR.
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners ist unzulässig. Sie ist daher gem. § 117 Abs. 1 S. 4 FamFG i.V.m. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Dementsprechend ist der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht des Rechtsmittels unbegründet, § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 ZPO.
Gemäß § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Hier ist der angefochtene Beschluss der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 10.9.2010 zugestellt worden, wie sich aus dem von ihr unterzeichneten Empfangsbekenntnis ergibt. Die Beschwerde hätte dementsprechend spätestens am Montag, den 11.10.2010 beim AG eingehen müssen. Sie ist jedoch erst nach Ablauf dieser Frist am 15.10.2010 eingegangen.
Der Antrag des Antragsgegners vom 9.11.2010 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist hat keinen Erfolg.
Der Wiedereinsetzungsantrag vom 9.11.2010 ist unzulässig, denn er ist nicht rechtzeitig gestellt worden. Gemäß § 234 Abs. 1 ZPO muss die Wiedereinsetzung innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist, § 234 Abs. 2 ZPO. Maßgeblich für den Fristbeginn ist, wann das Hindernis tatsächlich entfiel oder hätte beseitigt werden müssen. Dafür ist ausreichend, wenn der Rechtsanwalt bei Anwendung äußerster Sorgfalt die Versäumung erkennen konnte (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 234 Rz. 5b m.w.N.). Vorliegend hat die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 9.11.2010 unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung dargelegt, der Ablauf der Beschwerdefrist sei von der damit betrauten Angestellten, Frau T, versehentlich auf den 15.10.2010 statt auf den 10.10.2010 notiert worden; dies sei erst mit Zugang des gerichtlichen Hinweises vom 21.10.2010 am 26.10.2010 aufgefallen, so dass der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO gestellt worden sei. Diese Einlassung lässt indessen nicht den Sorgfaltspflichtverstoß der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners entfallen. Ihr hätte die fehlerhafte Fristenberechnung durch ihre Angestellte bereits bei Fertigung der Rechtsmittelschrift am 15.10.2010 auffallen müssen, so dass zu diesem Zeitpunkt auch die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag bereits zu laufen begann, mithin am 30.10.2010 abgelaufen war. Hierzu wäre sie auch ohne weiteres in der Lage gewesen, da das Empfangsbekenntnis vom 10.9.2010 lediglich per Fax an das AG zurückgesandt wurde.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (BGHReport 2006, 255), von der abzuweichen der Senat keine Veranlassung hat, muss der Rechtsanwalt den Lauf der Rechtsmittelfrist bei Anfertigung der Rechtsmittelschrif eigenverantwortlich prüfen. Der BGH führt dazu in der zitierten Entscheidung wörtlich aus:
"Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO an dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist. Das ist bereits dann der Fall, wenn die Versäumung der Frist hätte erkannt werden müssen, also der Irrtum darüber nicht mehr unverschuldet war (BGH, NJW-RR 1990, 379, 380; FamRZ 1996, 934, 935). Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hätte hier nicht erst mit Zustellung des richterlichen Hinweises der Prozessbevollmächtigten der Kläger bekannt werden müssen. Die Anwältin hatte bei der Anfertigung der Begründungssch...