Entscheidungsstichwort (Thema)

Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist in Familienstreitsachen: Wiedereinsetzung von Amts wegen bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung

 

Leitsatz (amtlich)

Anders als bei einer fehlenden oder unvollständigen Rechtsbehelfsbelehrung ist einem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn die Fristversäumung darauf beruht, dass die Rechtsbehelfsbelehrung inhaltlich unrichtig ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn es sich um einen offensichtlichen Fehler handelt.

 

Normenkette

FamFG § 17 Abs. 2; ZPO § 224 Abs. 2, § 234

 

Verfahrensgang

AG Bad Doberan (Beschluss vom 30.09.2010)

 

Tenor

I. Dem Antragsgegner wird gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bad Doberan vom 30.9.2010 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

II. Der Senat unterbreitet zur Vermeidung weiterer Belastungen des Kindes durch eine Fortführung des Verfahrens den folgenden Vergleichsvorschlag:

1. Der Antragsgegner ist berechtigt, Umgang mit ... in jeder geraden Kalenderwoche von Freitag um 13:00 Uhr bis zum darauf folgenden Montag um 08:00 Uhr zu haben. Er ist verpflichtet, das Kind am Freitag zu Beginn des Umgangs von der Schule (genaue Bezeichnung) abzuholen und am Montag zum Ende des Umgangs dorthin zurückzubringen. Soweit das Kind an den betreffenden Tagen nicht in der Schule ist, hat der Antragsgegner es von der Wohnung der Antragstellerin abzuholen beziehungsweise dorthin zurückzubringen.

Fällt ein Umgangswochenende wegen Krankheit des Kindes aus, wird es am darauf folgenden Wochenende nachgeholt. Der Turnus verschiebt sich hierdurch nicht. Ist die Nachholung am folgenden Wochenende nicht möglich, entfällt dieses Umgangswochenende ersatzlos.

Der Umgang findet erstmals vom 14.1.2011 bis zum 17.1.2011 statt.

Die Antragstellerin ist verpflichtet, den Umgang zu gewähren.

2. Der Antragsgegner nimmt die Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bad Doberan vom 30.9.2010 zurück.

III. Die Beteiligten werden um Erklärung bis zum 10.1.2011 gebeten, ob dem Vergleichsvorschlag zugestimmt wird. Zugleich ist anzugeben, welche Schule das Kind nunmehr besucht. Bei Feststellung des Vergleichs würde der Senat die Bezeichnung der Schule entsprechend ergänzen.

 

Gründe

I. Antragstellerin und Antragsgegner sind die nicht verheirateten Eltern des Kindes. Am 4.11.2002 begründeten sie das gemeinsame Sorgerecht.

Am 23.8.2004 vereinbarten die Kindeseltern unter Vermittlung des Jugendamtes, das Aufenthaltsbestimmungsrecht solle dem Antragsgegner übertragen werden, der Aufenthalt solle aber weiter bei der Antragstellerin sein. Mit Beschluss vom 17.11.2004 übertrug das AG Anklam das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Antragsgegner. Das Kind hielt sich weiterhin bei der Antragstellerin auf.

Die Antragstellerin hat mit am 7.2.2008 eingegangenen Schriftsätzen sowohl in der Hauptsache als auch im einstweiligen Anordnungsverfahren die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sie beantragt. Das AG hat gem. § 50 FGG einen Verfahrenspfleger bestellt.

In der mündlichen Verhandlung vom 31.3.2008 haben die Beteiligten zur Erledigung des einstweiligen Anordnungsverfahrens eine Vereinbarung zu Aufenthalt und Umgang des Kindes getroffen. In der mündlichen Verhandlung vom 15.9.2008 haben die Beteiligten eine ergänzende Regelung zum Umgang getroffen.

Mit am 7.5.2009 eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin die Übertragung der gesamten elterlichen Sorge auf sich beantragt. In der mündlichen Verhandlung vom 19.5.2009 haben die Beteiligten vereinbart, eine Mediation zu versuchen.

Mit am 4.8.2009 eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung das alleinige Entscheidungsrecht für einen Schulwechsel beantragt. Mit am 17.8.2009 eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsgegner das Entscheidungsrecht für sich beantragt, mit am 21.8.2009 eingegangenem Schriftsatz die Übertragung der elterlichen Sorge. In der mündlichen Verhandlung vom 31.8.2009 haben die Beteiligten eine Zwischenvereinbarung zu Aufenthalt und Umgang bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache getroffen.

Nach Einholung eines Gutachtens hat das AG auf die mündliche Verhandlung vom 29.9.2010 mit Beschluss vom 30.9.2010 das Sorgerecht auf die Antragstellerin übertragen. Der Beschluss ist mit einer Rechtsmittelbelehrung dahingehend versehen, dass die Beschwerde binnen eines Monats beim AG einzulegen sei. Der Beschluss ist der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 7.10.2010 zugestellt worden.

Gegen die amtsgerichtliche Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit der durch seine Verfahrensbevollmächtigte verfassten, an das AG adressierten und dort am 4.11.2010 (Donnerstag) eingegangenen Beschwerdeschrift. Die Sachverständige habe sich für die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge und des Wechselmodells ausgesprochen, weil die Antragstellerin nicht über die nötige Bindungstoleranz verfüge. Die Be...

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