Leitsatz

Das OLG Rostock hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob bei Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist nach vorausgegangener unrichtiger Rechtsmittelbelehrung der erstinstanzlichen Entscheidung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen zu gewähren ist.

 

Sachverhalt

Die Beteiligten waren die nicht verheirateten Eltern eines minderjährigen Kindes und hatten im November 2002 das gemeinsame Sorgerecht begründet. Nach vorausgegangenen Differenzen u.a. über den Aufenthalt des Kindes hat das AG nach Einholung eines Gutachtens auf die mündliche Verhandlung vom 29.9.2010 mit Beschluss vom 30.9.2010 das Sorgerecht auf die Mutter übertragen. Der Beschluss enthielt eine Rechtsmittelbelehrung dahingehend, dass die Beschwerde binnen eines Monats beim AG einzulegen sei. Er wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 7.10.2010 zugestellt.

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung wandte sich der Antragsgegner mit der durch seine Verfahrensbevollmächtigte verfassten, an das AG adressierten und dort am 4.11.2010 eingegangenen Beschwerdeschrift.

Die Beschwerde wurde der Richterin am 5.11.2010 (Freitag) vorgelegt und von ihr mit Verfügung vom 8.11.2010 (Montag) an das OLG weitergeleitet, wo sie am 15.11.2010 einging. Mit einer der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 23.11.2010 zugestellten Verfügung hat die Senatsvorsitzende auf die Unzulässigkeit der Beschwerde hingewiesen.

Mit am 14.12.2010 eingegangenem Schriftsatz hatte der Antragsgegner Stellung genommen und Wiedereinsetzung beantragt.

Dem Wiedereinsetzungsantrag wurde vom OLG stattgegeben.

 

Entscheidung

Das OLG wies zunächst darauf hin, dass das Beschwerdeverfahren sich nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Verfahrensrecht richte, weil der das erstinstanzliche Verfahren einleitende Schriftsatz im Februar 2008 und damit vom 1.9.2009 bei Gericht eingegangen sei.

Nach Maßgabe des insoweit anzuwendenden Verfahrensrechts sei die Beschwerde des Antragsgegners an sich wegen Fristversäumnis unzulässig. Die einzuhaltende Monatsfrist sei am 8.11.2010 abgelaufen, die Beschwerde jedoch erst am 15.11.2010 bei dem OLG eingegangen. Durch den Eingang beim AG sei die Frist nicht gewahrt.

Dem Antragsgegner sei jedoch gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, obgleich der Wiedereinsetzungsantrag bereits unzulässig sei, weil das vermeintliche Hindernis durch Zustellung des Senatshinweises am 23.11.2010 entfallen, das Wiedereinsetzungsgesuch jedoch erst am 14.12.2010 bei Gericht eingegangen sei und zu diesem Zeitpunkt die Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen bereits abgelaufen war.

Wiedereinsetzung sei indes von Amts wegen zu gewähren, weil die Beschwerde innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist eingelegt worden sei und sich ein Wiedereinsetzungsgrund bereits aus der Akte ergebe. Nach Aktenlage habe sich der Antragsgegner offensichtlich auf die hinsichtlich des Adressaten der Beschwerde fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Beschluss verlassen und die Beschwerdefrist deshalb versäumt. Dieser Umstand sei ihm nicht vorzuwerfen.

Nach dem seit dem 1.9.2009 geltenden Verfahrensrecht werde bei fehlerhafter oder unterbliebener Rechtsmittelbelehrung vermutet, der Beschwerdeführer sei ohne Verschulden an der Fristwahrung gehindert gewesen. Diese Vermutung werde allerdings widerlegt, wenn der Beteiligte anwaltlich vertreten sei, weil von einem Rechtsanwalt - erst recht einem einschlägigen Fachanwalt - grundsätzlich die Kenntnis des Rechtsmittelsystems erwartet werden könne und er der Unterstützung durch eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht bedürfe.

Das OLG hielt für das vorliegende Verfahren weder § 17 Abs. 2 FamFG noch § 39 FamFG für anwendbar; eine Rechtsbehelfsbelehrung sei für den angefochtenen Beschluss nicht gesetzlich vorgeschrieben. Unter diesen Umständen könne Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung einen unvermeidbaren oder zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum hervorrufe und die Fristversäumung darauf beruhe. Dabei dürfe sich nach der Rechtsprechung des BGH auch eine anwaltlich vertretene Partei auf die Richtigkeit der Belehrung durch das Gericht verlassen (BGH NJW-RR 2004, 408; a.A. OLG Koblenz, a.a.O.).

Dies gelte nur dann nicht, wenn die Belehrung offensichtlich unrichtig sei. Von einer offensichtlichen Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung könne im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, so dass es unter den gegebenen Umständen nicht vorwerfbar sei, wenn der Antragsgegner dem gerichtlich vorgezeichneten Weg folge.

 

Link zur Entscheidung

OLG Rostock, Beschluss vom 28.12.2010, 10 UF 199/10

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