Leitsatz (amtlich)
Zum Umgangsrecht der Mutter eines vierjährigen Kindes, wenn dieses kurz nach der Geburt vom Jugendamt in Obhut genommen war und sich seit dem Alter von drei Monaten in einer Pflegefamilie befindet.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1684
Verfahrensgang
AG Gronau (Westfalen) (Aktenzeichen 13 F 16/10) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Antragstellerin wird ein Umgangsrecht mit der am 31.8.2006 geborenen W eingeräumt, und zwar für jeweils 1 bis 1 ½ Stunden an 6 Terminen im Jahr, die jeweils im Abstand von rund 2 Monaten in Begleitung einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters des Jugendamtes Z1 oder einer von diesem beauftragten Person - wobei die genaue Ausgestaltung und der jeweilige konkrete Termin der Bestimmung des Jugendamtes vorbehalten bleibt - stattfinden sollen.
Gerichtskosten für das Verfahren erster Instanz sowie für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten beider Instanzen werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die antragstellende Kindesmutter und das beteiligte Jugendamt streiten vorliegend darüber, ob und in welchem Umfange der Kindesmutter ein Umgangsrecht mit ihrem in einer Pflegefamilie lebenden Kind W einzuräumen ist.
Die am 30.6.1974 in Kasachstan geborene Antragstellerin besaß das alleinige Sorgerecht für ihr nicht in einer Ehe geborenes Kind W, dessen Vater die jugoslawische Staatsangehörigkeit besaß und mehrfach wegen BTM-Vergehen verurteilt worden war. Bereits zuvor hatte sie ein Kind geboren, nämlich die am 19.6.1993 geborene Tochter W2. Die Kindesmutter reiste zusammen mit diesem Kind und ihren Eltern im Jahr 1995 in die Bundesrepublik ein. Seit 1997 konsumierte sie Heroin, das sie zunächst rauchte und später auch spritzte. Nachdem im Jahre 2004 der Verdacht der Kindesvernachlässigung aufkam, gab es vermehrt Beratungsgespräche mit dem Allgemeinen Sozialen Dienst. Da die Kindesmutter aufgrund ihrer Drogensucht nicht in der Lage war, sich um die Betreuung und Erziehung von W2 zu kümmern, verblieb diese im Einverständnis mit der Kindesmutter und dem Jugendamt bei den Großeltern, wo sie auch heute noch lebt und ihren Lebensmittelpunkt hat.
Die Kindesmutter begann im Jahre 2004 eine Therapie in Form der Methadonsubstitution; wegen ständigen Beigebrauchs wurde diese jedoch abgebrochen. Aufgrund der Schwangerschaft mit W unternahm sie im Jahre 2006 erneut einen Therapieversuch mittels Substitution, der ebenfalls vorzeitig wegen erneuten Beigebrauches abgebrochen wurde. Daraufhin beantragte das Jugendamt den Entzug der elterlichen Sorge gem. § 1666 BGB. Seit dem 9.3.2007 - also während des entsprechenden gerichtlichen Verfahrens - verbüsste die Antragstellerin in der JVA C eine Haftstrafe wegen BTM-Vergehens. Durch Beschluss vom 29.5.2008 entzog das AG der Antragstellerin die elterliche Sorge. Hiergegen legte diese Beschwerde zum Senat ein, die sie im 2. Verhandlungstermin in dieser Sache vor dem Senat am 13.5.2009 zurücknahm, nachdem der Senat ihr deren Erfolglosigkeit vor Augen geführt und die Vertreterin des Jugendamtes ihr gegenüber erklärt hatte, dass von Seiten des Jugendamtes ein Umgang zwischen Mutter und Kind in begleiteter Form etwa vier bis sechsmal im Jahr angedacht sei.
Seit dem 14.11.2006 befindet sich W in einer Vollzeitpflegestelle; zuvor befand sie sich ausschließlich im Krankenhaus, da sie 3 Tage nach der Geburt zum Drogenentzug in das N-Spital S eingeliefert worden war, von wo aus sie 3 Monate später direkt in ihre heutigen Pflegefamilie wechselte.
Mit Antragsschrift vom 3.2.2010 beantragt die Kindesmutter, ihr ein Umgangsrecht mit ihrer Tochter W in ihrer eigenen Wohnung einzuräumen. Hierzu trägt sie vor, sie habe zwischenzeitlich eine Wohnung in Z1 angemietet, befinde sich im Methadonprogramm und nehme schon seit über einem Jahr keine Drogen mehr. Es sei für das Kindeswohl förderlich, wieder Umgangskontakt mit ihr zu haben. Ziel der langsam anzubahnenden Umgangskontakte sei es jedoch, dass Mutter und Kind sich auch außerhalb des Rahmens" Jugendamt " näher kennen lernen könnten. Es sei kein Grund ersichtlich, der gegen eine Ausweitung des Umgangs sprechen würde. Sie selbst sei "clean" und nehme weiterhin an Therapiemaßnahmen teil. Auch ihr Bewährungshelfer habe sie als im Zustand einer stabilen Substitution befindlich eingestuft, nachdem sie eine 6 Monate dauernde Langzeitentwöhnung und danach eine auf 8 Monate angelegte ambulante Nachbetreuung erfolgreich absolviert habe. Auch ihr behandelnder Hausarzt habe ihr bescheinigt, dass es seit über einem Jahr zu keinerlei Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Therapievorgaben gekommen sei.
Das beteiligte Jugendamt ist dem Antrag entgegengetreten und hat ausgeführt, dass am 25.8.2009 ein erstes Kennenlerntreffen zwischen Pflegeeltern und der Antragstellerin und der erste persönliche Umgang zwischen ihr und ihrem Kind dann am 22.9.2009 im Stadtpark in Z1 stattgefunden haben. Da das Kind keine bewusste Erinnerung an seine Mutt...