Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellung. öffentliche Bekanntmachung. öffentliche Zustellung
Normenkette
OWiG § 74 Abs. 2, §§ 33, 51 Abs. 1 S. 1; StVG § 26 Abs. 3; LZG NRW
Verfahrensgang
AG Bielefeld (Aktenzeichen 36 OWi 180/12) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Der Oberbürgermeister der Stadt C (im Folgenden: Verwaltungsbehörde) legt dem Betroffenen zur Last, als Fahrer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen #### am 17. Juni 2010 um 23.06 Uhr in C auf der Bundesautobahn 2 in Fahrtrichtung Hannover bei Streckenkilometer 329,415 die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h (fahrlässig) um 36 km/h überschritten zu haben.
Der Tatvorwurf beruht auf dem Messergebnis einer am Tatort aufgestellten stationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlage. Auf dem von dieser Anlage aufgenommenen Messfoto ist das amtliche Kennzeichen des Tatfahrzeuges zu erkennen. Im Rahmen ihrer Bemühungen, den Fahrer des Tatfahrzeuges zur Tatzeit zu ermitteln, erhielt die Verwaltungsbehörde spätestens im Juli 2010 die Auskunft, dass Halter des Tatfahrzeuges ein Unternehmen mit dem Sitz in F in Sachsen (Landkreis Nordsachsen) sei. Unter dem 22. Juli 2010 richtete die Verwaltungsbehörde daraufhin ein schriftliches Ersuchen an die "Polizeiinspektion F" mit der Bitte, den Fahrer des Tatfahrzeuges zur Tatzeit zu ermitteln. Am 15. September 2010 ging bei der Verwaltungsbehörde ein auf den 10. September 2010 datiertes Schreiben des Landratsamtes des Landkreises Nordsachsen ein, in dem es hieß, es "könnte" sich bei dem Fahrer um den "Lebensgefährten" der Geschäftsführerin des Unternehmens handeln. Diesem Schreiben beigefügt war eine Melderegisterauskunft der Stadt
F, die die Personalien des Betroffenen sowie die Information enthielt, dass dieser vom 26. Juli 2008 bis zum 6. September 2008 unter der Anschrift "E-Straße 8B, F" gemeldet gewesen sei und bei der Abmeldung folgende neue Anschrift angegeben habe: "Pluce ...C/Frankreich". Die Verwaltungsbehörde erstellte daraufhin einen auf den 16. September 2010 datierten Anhörungsbogen und übersandte ihn mit einfachem Brief (Datum des Poststempels: 23. September 2010) an den Betroffenen unter der Anschrift "Pluce ...C/Frankreich".
Am 6. Oktober 2010 übermittelte das Kraftfahrt-Bundesamt der Verwaltungsbehörde die über den Betroffenen im Verkehrszentralregister erfassten Eintragungen. Die Eintragungen stammten aus den Jahren 2004 bis 2010 und enthielten Adressen des Betroffenen in F (2004 und 2005), C/Frankreich (2005, 2006 und 2007), M (2007, 2008 und 2009) und wiederum C/Frankreich (2010).
Unter dem 10. November 2010 erließ die Verwaltungsbehörde einen Bußgeldbescheid (Aktenzeichen: 5.3247.178230.2) gegen den Betroffenen und verhängte eine Geldbuße von 240 € sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat. In dem für die Anschrift des Betroffenen vorgesehenen Textfeld des Bußgeldbescheides ist die Anschrift "Pluce ... C/Frankreich" angegeben.
Unter dem 12. November 2010 fertigte die Verwaltungsbehörde ein Anschreiben an den Betroffenen. Das Anschreiben enthielt die Mitteilung, dass der Bußgeldbescheid vom 10. November 2010 durch öffentliche Bekanntmachung (durch Aushang einer Benachrichtigung am "Schwarzen Brett des Neuen Rathauses" und durch Bereitstellung der Benachrichtigung auf der Internetseite der Verwaltungsbehörde) zugestellt werde. Zur Begründung der Anordnung dieser Form der Zustellung heißt es in dem Anschreiben, die Anordnung erfolge, weil der Betroffene "im Inland keinen Wohnsitz habe". Das Anschreiben wurde am 15. November 2010 (Datum des Poststempels) zusammen mit einer Ausfertigung des Bußgeldbescheides mit einfachem Brief an den Betroffenen unter der Anschrift "Pluce ... C/Frankreich" abgesandt. Die Benachrichtigung über die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung wurde, beginnend mit dem 15. November 2010, für zwei Wochen am "Schwarzen Brett des Neuen Rathauses" ausgehängt und auf der Internetseite der Verwaltungsbehörde bereitgestellt.
Am 15. November 2010 gelangte der Briefumschlag mit dem Anhörungsbogen vom 16. September 2010 zurück an die Verwaltungsbehörde. Auf dem Briefumschlag befand sich ein Vermerk der französischen Post mit dem Wortlaut "boîte non identifiable" (sinngemäß übersetzt: Briefkasten nicht identifizierbar / nicht auffindbar).
Zwischen dem 20. und dem 29. Dezember 2010 gelangte der Briefumschlag mit dem Anschreiben vom 12. November 2010 und der Ausfertigung des Bußgeldbescheides zurück an die Verwaltungsbehörde. Auch auf diesem Briefumschlag befand sich der französische Postvermerk "boîte non identifiable".
In der Folgezeit bemühte sich die Verwaltungsbehörde (vergeblich), die Bußgeldentscheidung zu vollstrecken. Am 28. Juni 2011 ordnete die Verwaltungsbehörde die Beschlagnahme des Führerscheines des Betroffenen an. Sie veranlasste eine entsprechende Ausschreibung im polizeilichen Fahndungssystem "INPOL".
Mit Schriftsa...