Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzzustellung. Wirksamkeit. Rechtsmissbrauch. Verjährung. Verletzung. Meldepflicht
Leitsatz (amtlich)
Ein Betroffener kann sich wegen Rechtsmissbrauchs nicht auf die Unwirksamkeit einer Ersatzzustellung des gegen ihn ergangenen Bußgeldbescheides berufen, wenn er bei der Verwaltungsbehörde einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet unter Verstoß gegen die Meldegesetze der Länder herbeigeführt hat.
Normenkette
OWiG § 51 Abs. 1; LZG NRW § 3 Abs. 2; ZPO § 180; BGB § 242
Verfahrensgang
AG Gütersloh (Aktenzeichen 12 OWi 79/14) |
Tenor
Die Sache wird dem Senat für Bußgeldsachen in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung des Einzelrichters).
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten der Betroffenen als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Gütersloh hat die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 280,00 Euro verurteilt und ihr unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Nach den Feststellungen hat die Betroffene die der Verurteilung zugrunde liegende Tat am 16. August 2013 begangen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde. Sie macht geltend, dass einer Verurteilung das Verfolgungshindernis der Verjährung entgegenstehe, weil ihr der Bußgeldbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Bei der Anschrift I-straße # in I1 handele es sich um die Wohnung ihrer Eltern. Tatsächlich habe sie zum Zeitpunkt der Zustellung in C gewohnt. Zuzugeben sei allerdings, dass sie es versäumt habe, sich umzumelden.
Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Mit Schreiben der Bußgeldbehörde vom 28. August 2013 wurde die Betroffene zu dem ihr vorgeworfenen Verstoß vom 16. August 2013 angehört. Das Anhörungsschreiben war adressiert an die Betroffene, I-straße # in ###28 I1. Hierbei handelte es sich um die Anschrift unter der die Betroffene zu diesem Zeitpunkt amtlich gemeldet war und unter der ausweislich der Voreintragungen auch Bußgeldbescheide vom 21. Oktober 2009 - rechtskräftig seit dem 24. Februar 2010 - und 20. April 2012 - rechtskräftig seit dem 19. Oktober 2012 - jeweils rechtskräftig wurden.
Mit Schreiben vom 6. September 2013 meldete sich der Verteidiger für die Betroffene und bat um Akteneinsicht, ohne eine entsprechende Vollmacht vorzulegen. Eine Stellungnahme wurde auch nach erfolgter Akteneinsicht nicht abgegeben.
Daraufhin erließ die Bußgeldbehörde am 14. Oktober 2013 einen Bußgeldbescheid gegen die Betroffene, in dem ihr zur Last gelegt wurde, am 16. August 2013 um 9.45 Uhr in der N-straße in H die dort außerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h nach Toleranzabzug um 42 km/h überschritten zu haben. Festgesetzt wurden ein aufgrund Voreintragungen erhöhtes Bußgeld in Höhe von 200,00 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat.
Dieser Bußgeldbescheid vom 14. Oktober 2013 wurde der Betroffenen am 16. Oktober 2013 unter der Anschrift I-straße # in ###28 I1 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt.
Eine Abschrift des Bußgeldbescheides wurde formlos an ihre Verteidiger übersandt, wo dieses Schreiben ebenfalls am 16. Oktober 2013 einging.
Mit Telefax vom 29. Oktober 2013 legte Verteidiger Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 14. Oktober 2013 ein. Begründet wurde der Einspruch auch nach einer am 14. November 2013 beantragten und anschließend gewährten Akteneinsicht zunächst nicht.
In einem an die Bußgeldbehörde gerichteten Telefax des Verteidigers vom 28. November 2013 vertrat dieser erstmals die Auffassung, das Verfahren sei wegen Verfolgungsverjährung einzustellen, ohne diese Auffassung zu begründen.
Im Rahmen eines ersten Hauptverhandlungstermins am 1. Juli 2014 legte die Betroffene Mietverträge aus C vor. Im Rahmen der Feststellungen des angefochtenen Urteils heißt es insoweit:
" (..) Der Bußgeldbescheid ist der Betroffenen unter der Anschrift I-straße #, ###28 I1, unter der die Betroffene immer noch gemeldet ist, im Wege der Ersatzzustellung zugestellt worden. Sie hat zwar - nicht widerlegbar - mitgeteilt, dass sie seit dem 22.08.2010 in C wohne und unter dieser Anschrift erreichbar sei. (...)"
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Sie vertritt die Auffassung, dass die Verjährung durch den Erlass und die Zustellung des Bußgeldbescheides vom 14. Oktober 2013 am 16. Oktober 2013 aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung unterbrochen worden sei. Ferner sei ein unterstellter Zustellungsmangel jedenfalls gem. § 8 LZG NRW geheilt worden. Es dürfe fernliegend sein und werde auch in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht behauptet, dass der Verteidiger für die Betroffene Einspruch eingelegt haben könnte, ohne dass diese den Bußgeldbescheid - und sei es durch Vermittlung i...