Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerechtsentzug bei Erziehungsunfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Der Entzug des Sorgerechts des Vaters kann gerechtfertigt sein, wenn dieser als erziehungsungeeignet anzusehen und nicht in der Lage ist, auf die Bedürfnisse der durch die bisherigen Lebensumstände – insbesondere den Tod der Mutter – schwer traumatisierten Kinder einzugehen und die Kinder nachdrücklichen ihren Willen äußern, nicht im Haushalt ihres Vaters leben zu wollen.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1666a, 1697a
Verfahrensgang
AG Borken (Beschluss vom 21.09.2009; Aktenzeichen 31 F 90/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Borken vom 21.9.2009 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; im Übrigen hat der Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die elterliche Sorge für die Kinder Felix, Michel und Tom Y.
Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf die ausführliche Darstellung in der angefochtenen Entscheidung, durch die dem Kindesvater die elterliche Sorge für die vorgenannten Kinder entzogen und auf das Kreisjugendamt als Vormund übertragen worden ist, verwiesen. Seine Entscheidung, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 93 - 103 GA Bezug genommen wird, hat das AG im Wesentlichen damit begründet, dass zu seiner vollen Überzeugung feststehe, dass der Kindesvater durch sein Verhalten den Kindern bereits einen schweren, möglicherweise irreversiblen seelischen Schaden zugefügt habe. Die von ihm in drastischer Weise nach dem Tod der Kindesmutter gegen den Willen der Kinder vollzogene Aufnahme von Michel und Tom in seinen Haushalt, der mit dem Ziel, auch Felix gegen seinen ausdrücklich erklärten Willen zu sich zu nehmen, gegen den Stiefvater gestellte Herausgabeantrag und die nach dem Termin vom 30.7.2009 erfolgte Verstoßung, die in ihrer Art die Berichte der Kinder über die Impulsivität und Unbeherrschtheit des Kindesvaters bestätige, stellten für die durch den Tod der Hauptbezugsperson emotional stark belasteten Kinder traumatische Erfahrungen dar. Der Kindesvater sei, wie das Schreiben vom 31.7.2009 in entlarvender Offenheit zeige, ausschließlich auf seine eigene Befindlichkeit fixiert. Die Befindlichkeiten, Bedürfnisse und Wünsche seiner Kinder zu erkennen und entsprechend kindeswohlgerecht zu handeln, sei er außerstande. Soweit der Kindesvater mit Schreiben vom 4.9.2009 weiter Stellung genommen habe, rechtfertige dies, so das AG weiter, keine andere Bewertung. Das Schreiben nebst beigefügten Unterlagen belege vielmehr ein weiteres Mal, dass der Kindesvater ausschließlich auf sich selbst fixiert und außerstande sei, das Erleben seiner Kinder zu verstehen oder gar nachzuempfinden und demzufolge auch die Kindesinteressen kindeswohlgerecht wahrzunehmen. Er habe seine Stellungnahmen vielmehr in erster Linie zu einer Generalabrechnung mit der verstorbenen Kindesmutter genutzt. Ihm komme gar nicht in den Sinn, dass seine Kinder bei ihrem Stiefvater und den Großeltern mütterlicherseits leben möchten, weil sie zu diesen eine engere emotionale Bindung hätten als zu ihm, und weil sein eigenes Erziehungsverhalten defizitär gewesen sein könnte. Das AG ist der Ansicht, der Kindesvater sei nicht erziehungsgeeignet. Es stehe zu erwarten, dass er sein Sorgerecht auch zukünftig zur Durchsetzung seiner eigenen Vorstellungen - möglicherweise auch impulsiv und vorschnell - in kindeswohlschädlicher Weise ausüben werde. Andere Maßnahmen als der vollständige Entzug der elterlichen Sorge genügten zur Abwendung der Gefährdung des Kindeswohls nicht.
Nach der Entscheidung des AG verblieben alle drei Kinder zunächst im Haushalt ihres Stiefvaters, Herrn T2, in I. Nachdem dieser am 4.9.2009 dem Jugendamt mitgeteilt hatte, dass er sich zur Alkoholentgiftung in einer Klinik in S befinde, wurde am 24.9.2009 eine familientherapeutische Unterstützung in seinem Haushalt installiert. Es wurde zudem als Ansprechpartner für die Kinder Herr X als Mitarbeiter der therapeutischen Praxis K eingesetzt. Am 4.12.2009 wurde das Jugendamt von Michel informiert, dass der Stiefvater erneut rückfällig geworden sei und wieder regelmäßig Alkohol konsumiere. Der Lebensunterhalt von ihm und seinen Brüdern sei im Haushalt des Stiefvaters nicht mehr gesichert; so sei kein angemessenes bzw. zu wenig Essen vorhanden. Nach einem Hilfeplangespräch am 9.12.2009 wechselten Felix und Tom sodann in den Haushalt der Großeltern mütterlicherseits (L, I) und Michel in denjenigen seiner Tante E (L b, I), der Schwester seiner verstorbenen Mutter.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kindesvater unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens gegen die Entscheidung des AG und macht insbesondere geltend, dass der angefochtene Beschluss unverhältnismäßig, weil unnötig sei. Für das Kindeswohl sei dadurch nichts gewonnen. Ihm sei klar, dass er seinen...