Leitsatz (amtlich)

zu den notwendigen Mindestfeststellungen bei der Verurteilung wegen Unterhaltspflichtverletzung gem. § 170 StGB

 

Verfahrensgang

AG Bad Oeynhausen (Aktenzeichen 5 Ds 12 Js 158/09 (619/09))

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über

die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts

- Strafrichter - Bad Oeynhausen zurückverwiesen.

 

Gründe

I:

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Bad Oeynhausen vom 7. November 2011 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht unter Einbeziehung der Verurteilung des Amtsgerichts Sinzig vom 21.09.2009 (Az.: 2030 Js 20516/08

3 Ds) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden.

Der Verurteilung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

"Der Angeklagte ist der Vater des am 30.01.2006 geborenen Kindes B M. In der Zeit von Oktober 2007 bis Dezember 2008 kam er seiner Verpflichtung zur Zahlung von mtl. 196,00 € Unterhalt für das bei

seiner Mutter in C lebende Kind nur in Höhe von insgesamt 66,00 € nach, obwohl er im Tatzeitraum über ein mtl. Nettoeinkommen

von ca. 1.660,00 € verfügte. Die Unterhaltsvorschusskasse der Stadt

C musste mit mtl. 125,00 € unterstützend eingreifen."

Zur Beweiswürdigung heißt es insoweit:

"Die Feststellungen zum Tathergang beruhen auf dem glaubwürdigen Geständnis des Angeklagten."

Das Amtsgericht hat für die Unterhaltspflichtverletzung eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten für tat- und schuldangemessen angesehen. Da die Tat vor der letzten Verurteilung durch das Amtsgericht Sinzig vom 21.09.2009 begangen wurde, hat das Amtsgericht eine Gesamtstrafe unter Einbeziehung dieser "Verurteilung" gebildet. Insoweit hat das Amtsgericht vor den Feststellungen zur Sache dargelegt, dass der Angeklagte durch das vorgenannte Urteil wegen "Betruges in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten zur Bewährung", welche widerrufen wurde, verurteilt worden ist. Das Amtsgericht hat mit der "Freiheitsstrafe von neun Monaten" eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet und diese unter Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte in Höhe von einem Jahr für tat- und schuldangemessen erachtet.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seinem rechtzeitig eingelegten Rechtsmittel, das er nach Zustellung des Urteils an den beigeordneten Verteidiger am 21. November 2011 innerhalb der Revisionsbegründungsfrist als Revision bezeichnet und begründet hat. Die Revision stützt sich auf die allgemein erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts und wendet sich mit näheren Ausführungen gegen die als fehlerhaft erachtete Gesamtstrafenbildung.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das angefochtene Urteil gemäß § 354 Abs. 1 b StPO im Gesamtstrafenausspruch mit der Maßgabe aufzuheben, dass mit den Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Sinzig vom 21.09.2009 eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen sei; sie beantragt zudem, weitergehende Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision des Angeklagten hat mit der zulässig erhobenen allgemeinen Sachrüge zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Straf-

richter - Bad Oeynhausen.

Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 170 Abs. 1 StGB nicht, denn sie sind derart lückenhaft, dass sie dem Senat nicht die Nachprüfung ermöglichen, ob das Amtsgericht den Angeklagten zu Recht der Unterhaltspflichtverletzung schuldig gesprochen hat.

Der Schuldspruch wegen Unterhaltspflichtverletzung setzt zunächst voraus, dass der Tatrichter den Umfang der Unterhaltspflicht, welche sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen bestimmt (§ 1610 Abs. 1 BGB), feststellt und die dem zugrunde liegenden Tatsachen im Urteil ausführt (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 170 Rdnr. 5 m.w.N.). Bereits hierbei zeigt das angefochtene Urteil einen durchgreifenden Mangel, weil der angeführte monatlich geschuldete Unterhaltsbetrag von 196,- € in keiner Weise durch nachvollziehbare Umstände belegt ist. Zwar darf der Tatrichter bei der Unterhaltsberechnung für Kinder existierende Bedarfstabellen berücksichtigen, diese sind dann jedoch im Detail anzugeben (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 170 Randnummern 19 u. 21; BayObLG NStZ-RR 2000, 305; BayObLG NStZ-RR 2009, 212; OLG Koblenz BeckRS 2011, 01798). Ob der Tatrichter eine solche Bedarfstabelle oder möglicherweise einen Unterhaltstitel oder sonstige Umstände zugrunde gelegt hat, lässt das angefochtene Urteil mangels näherer Angaben hierzu nicht erkennen, so dass der konkret bezifferte Betrag des geschuldeten Unterhalts von 196,- € bereits nicht nachvollziehbar ist.

Der Höhe des geschuldeten Unterhalts hat der Tatrichter alsdann die finanzi...

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