Leitsatz (amtlich)
1) Bei gestaffelter Nacherbfolge muss der Ausnahmetatbestand des § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB für jeden Nacherbfall gesondert geprüft werden.
2) Die Nacherbeinsetzung wird unwirksam, wenn die Frist von 30 Jahren nach dem Erbfall überschritten ist und der zweite Nacherbe zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte.
Normenkette
BGB § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Brakel (Beschluss vom 12.03.2010; Aktenzeichen HO-169-3) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG - Grundbuchamt - Brakel zurückverwiesen.
Gründe
Der Beteiligte beantragte mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 27.10.2009 die Löschung des in Abteilung II unter der lfd. Nr. 1 eingetragenen Nacherbenvermerks, da dieser infolge Zeitablaufs unrichtig geworden sei. Diesen Antrag hat das Grundbuchamt durch Beschluss vom 12.3.2010 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde vom 25.3.2010.
Die nach den §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde hat in der Sache vorläufig Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Grundbuchamt. Der ablehnende Beschluss vom 12.3.2010 kann jedenfalls mit der dort gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
Die von dem Beteiligten begehrte Löschung des Nacherbenvermerks im Wege der Grundbuchberichtigung setzt den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs voraus (§ 22 Abs. 1 GBO), wobei der Nachweis grundsätzlich in der Form des § 29 GBO zu führen ist.
Das Grundbuchamt hat seine Entscheidung allein darauf gestützt, dass "die" Nacherbeneinsetzung nicht nach § 2109 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam geworden sei, da der Ausnahmetatbestand des § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB eingreife. Dabei hat das Grundbuchamt aber nicht berücksichtigt, dass hier - soweit aus dem Nacherbenvermerk ersichtlich - eine gestaffelte Nacherbfolge angeordnet war. Das Grundbuchamt hat in der Sache nur die Wirksamkeit der ersten Nacherbeneinsetzung geprüft. Hier geht es aber um die Frage, ob die zweite Nacherbeneinsetzung (Einsetzung eines Nachnacherben) weiterhin wirksam ist.
Legt man den im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerk und den Vortrag des Beteiligten zu den Verwandtschaftsverhältnissen und zur Familienhistorie zugrunde, so stellt sich die Erbfolge nach dem Erblasser B G, auf die sich der Nacherbenvermerk bezieht, wie folgt dar:
Mit dem Tod des Erblassers am 5.5.1940 wurde B1 B G Vorerbe. Als erster Nacherbe war sein ältester ehelicher Sohn eingesetzt, wobei der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben B1 B G eintreten sollte.
Gemäß § 2109 Abs. 1 S. 1 BGB wird die Einsetzung eines Nacherben mit dem Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall (hier: Tod des B G am 5.5.1940) unwirksam, wenn nicht vorher der Fall der Nacherbfolge eingetreten ist. Der Vorerbe B1 B G hat den Erblasser um mehr als 30 Jahre überlebt. Trotzdem blieb die erste Nacherbeneinsetzung gem. § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB wirksam. Die erste Nacherbfolge war für den Fall angeordnet, dass in der Person des Vorerben B1 B G ein bestimmtes Ereignis - sein Tod - eintritt, und der am 25.8.1931 geborene Vorerbe B1 B G lebte bereits zur Zeit des Erbfalls (5.5.1940). Die 30-jährige Frist konnte daher für den ersten Nacherbfall überschritten werden.
Mit dem Tod des Vorerben B1 B G am 22.2.2005 trat der erste Nacherbfall ein. Der Beteiligte gibt an, er sei der einzige und damit auch älteste eheliche Sohn des B1 B G. Demnach wäre er der erste Nacherbe und hätte mit dem Tod des Vorerben B1 B G am 22.2.2005 den Erblasser beerbt.
Laut dem Nacherbenvermerk hat der Erblasser B G allerdings noch eine zweite Nacherbfolge (Nachnacherbfolge) angeordnet ("Nacherbe des Nacherben ist, soweit dies nach Maßgabe des § 2109 des Bürgerlichen Gesetzbuches zulässig ist ..."). Wann der zweite Nacherbfall eintreten soll, lässt sich dem Nacherbenvermerk nicht eindeutig entnehmen. Wenn der Erblasser in seinem Testament hierzu keine Bestimmung getroffen hat, ist gem. § 2106 Abs. 1 BGB der Eintritt des zweiten Nacherbfalls an den Tod des Beteiligten (K G1 G) geknüpft.
Wenn aber nach § 2109 Abs. 1 S. 1 BGB die zweite Nacherbeneinsetzung unwirksam geworden ist, ein zweiter Nacherbfall also gar nicht mehr eintreten kann und der Beteiligte (K G1 G) dementsprechend mit dem Tod des (ersten) Vorerben B1 B G am 22.2.2005 nicht nur die Stellung eines (weiteren) Vorerben gegenüber einem Nachnacherben erhalten hat, sondern Vollerbe geworden ist, dann ist der im Grundbuch eingetragene Nacherbenvermerk unrichtig geworden.
Die zeitliche Beschränkung des § 2109 Abs. 1 S. 1 BGB gilt auch bei der gestaffelten Nacherbfolge (OLG Köln NJW-RR 2008, 602, 604; Palandt/Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 2109 Rz. 1; Reimann, NJW 2007, 3034, 3035; vgl. auch BayObLG NJW-RR 1990, 199 f. = FamRZ 1990, 320 ff.). Die Frist von 30 Jahren nach dem Erbfall (5.5.1940) ist hier überschritten. Der Ausnahmetatbestand des § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB greift hinsichtlich der zweiten Nacherbeneinsetzung nic...