Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung von Testament und bloßer Vollmacht:
Eine schriftlich niedergelegte Erklärung des Erblassers, deren Form nicht den für Testamente üblichen Gepflogenheiten entspricht, kann nur dann als letztwillige Verfügung gelten, wenn sie auf einem ernstlichen Testierwillen des Erblassers beruht.
Ob ein solcher ernstlicher Testierwille vorgelegen hat, ist im Wege der Auslegung gem. § 133 BGB unter Berücksichtigung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen. An den Nachweis des Testierwillens sind strenge Anforderungen zu stellen.
Normenkette
BGB § 2247
Verfahrensgang
AG Bielefeld (Aktenzeichen 114 VI 209/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 23.08.2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Bielefeld vom 11.08.2022 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu 1) und 3) werden dem Beteiligten zu 2) auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 104.000,00 Euro festgesetzt
Gründe
I. Der am 00.00.1955 geborene Erblasser verstarb am 00.00.2020 in A. Er war ledig und kinderlos.
Er hatte acht Geschwister, von denen zwei bereits vorverstorben waren.
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind Brüder des Erblassers. Die Beteiligten zu 1) sind die gesetzlichen Erben der am 03.10.2021 im laufenden Erbscheinsverfahren verstorbenen Schwester des Erblassers, Frau B.
Diese beantragte am 04.06.2021 beim Amtsgericht - Nachlassgericht - St. Goar - zunächst gemeinsam mit dem Beteiligten zu 2) - die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist.
Diesem Antrag beigefügt war ein handschriftliches Dokument, das auf den 08.08.2020 datiert und als Brief an sie gerichtet war. Inhaltlich enthielt das Dokument folgende Bestimmung:
"Hiermit verfüge ich das die Frau B über die Gelder verfügen darf, wenn ich das Krankenhaus nicht lebend verlasse.
00179835 Giro ca 19000,-
K Rente ca 19500 Firma C
Sparbücher ca. 1 × 23000 (Kennwort)
1 × 5000 D
J-Versicherung 1 × 11000
L Bank 1 × 8000 hab ich mir noch auszahlen
Grosser Bild liegt da immer.
1000,- Euro in Bar"
Dieses Dokument wurde per Einschreiben an B, die ursprüngliche Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens, versandt.
Am 24.09.2020 wurde dieses beim Amtsgericht - Nachlassgericht - St. Goar als Verfügung von Todes wegen eröffnet.
Der Nachlass des Erblassers besteht im Wesentlichen aus Guthaben bei Banken in Höhe von 103.949,19 Euro.
Der Erblasser litt seit 2013 unter einer Darmkrebserkrankung mit seit 2016 bestehenden Metastasen an der Leber. Am 30.07.2020 begab er sich zur Behandlung in das E- Krankenhaus in F. Dort wurde er auf eigene Veranlassung am 25.08.2020 entlassen. Am 29.08.2020 wurde der Erblasser notfallmäßig in das G-Hospital in H verbracht, wo er nach seiner Aufnahme noch am gleichen Tag an multiplem Organversagen verstarb.
B, die ursprüngliche Antragstellerin, hat behauptet, dass der Erblasser während seines Krankenhausaufenthaltes den Zeugen I gebeten habe, das Dokument an sie per Post zu senden. Sie habe das Dokument an den Erblasser zurückgeben wollen. Dieser habe aber nochmals den Wunsch geäußert, dass seine Vermögenswerte bei ihr verbleiben sollen.
Gegen den Erbscheinsantrag hat sich der Beteiligte zu 3) mit der Begründung gewandt, dass es sich bei dem Dokument vom 08.08.2020 seiner Ansicht nach schon nicht um ein Testament, sondern um eine Kontenvollmacht für die Zeit des Krankenhausaufenthaltes des Erblassers handele. Er hat zudem behauptet, dass das Dokument nicht vom Erblasser geschrieben worden sei. Weiter hat er die Ansicht vertreten, dass die Bedingung, dass der Erblasser das Krankenhaus nicht lebend verlasse, nicht eingetreten sei.
Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Bielefeld hat den Zeugen I schriftlich vernommen, Auskünfte der Krankenhäuser und ein schriftliches graphologisches Gutachten eingeholt.
Durch Beschluss vom 11.08.2022 hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - Bielefeld die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1) erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Dokument vom 08.08.2020 nach dem graphologischen Gutachten zu 90 % vom Erblasser stamme. Es handele sich hierbei auch um ein Testament. Es sei nicht bestimmt, in welcher Art und Weise Frau B über die Gelder verfügen können soll, so dass sie frei verfügen können sollte. Dies stelle eine Erbeinsetzung dar. Bei der Formulierung "wenn ich das Krankenhaus nicht lebend verlasse" handele es sich nicht um eine Bedingung, sondern um Motiv.
Dieser Beschluss ist dem Beteiligten zu 2) am 17.08.2022 zugestellt worden. Mit am 25.08.2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat dieser hiergegen Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen an, dass dem Dokument vom 08.08.2020 ein Testierwille nicht entnommen werden könne. Es werde auch nicht über Vermögensgegenstände wie Hausrat ...