Leitsatz (amtlich)
1. Hat das Gericht die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO aufgehoben, kann die erforderliche Erklärung im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden.
2. Ist dies geschehen, besteht für die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung kein Raum mehr. Die Entscheidung, ob eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse iSd § 120a Abs. 1 S. 1 ZPO vorliegt, ist dann nach Zurückverweisung durch das Ausgangsgericht zu treffen.
Normenkette
FamFG § 76 Abs. 1; ZPO § 120a Abs. 1 S. 3, § 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2
Verfahrensgang
AG Recklinghausen (Aktenzeichen 45 F 125/21) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Recklinghausen vom 28.12.2022 (Az. 45 F 125/21) aufgehoben.
Gründe
I. Mit am 09.09.2021 erlassenem Beschluss wurde dem Antragsgegner in dem Verfahren 45 F 125/21 AG Recklinghausen ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A in B bewilligt. Mit förmlich zugestelltem Anschreiben vom 21.11.2022 wurde der beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners über die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens in Kenntnis gesetzt und unter Fristsetzung aufgefordert, auf dem anliegenden Vordruck eine aktuelle Verfahrenskostenhilfeerklärung mit entsprechenden Belegen einzureichen. Nach fruchtlosem Fristablauf hob das Amtsgericht - Familiengericht - Recklinghausen die durch Beschluss vom 09.09.2021 bewilligte Verfahrenskostenhilfe gem. § 76 Abs. 1 FamFG, 124 Abs. 1 Nr. 2 und 120a Abs. 1 und 4 ZPO mit Beschluss vom 28.12.2022 auf. Hiergegen hat der Antragsgegner durch seinen Verfahrensbevollmächtigten am 13.01.2023 sofortige Beschwerde eingelegt, der eine aktuelle VKH-Erklärung sowie eine Kopie des aktuellen Bewilligungsbescheides von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 20.12.2022 beigefügt war. Zur Begründung macht der Antragsgegner geltend, er beziehe weiterhin Leistungen durch das Jobcenter B, seine finanziellen Verhältnisse hätten sich insofern nicht gravierend verändert.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde unter Verweis darauf, dass in dem übersandten Formular sämtliche Angaben unter G 2.- 6. fehlen würden, nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Innerhalb der nachgelassenen Stellungnahmefrist zum Nichtabhilfebeschluss hat der Antragsgegner mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 30.03.2023 die fehlenden Angaben zu G 2.-6. getätigt. Danach verfügt er über keine einzusetzenden Vermögenswerte.
II. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Nach §§ 76 Abs. 1 FamFG, 120a Abs. 1 S. 3 FamFG hat sich ein Beteiligter, dem Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, auf Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Veränderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO soll das Gericht die Verfahrenskostenhilfebewilligung aufheben, wenn die Erklärung nach § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO nicht oder ungenügend abgegeben wird. Die erforderliche Erklärung kann allerdings auch noch im Beschwerdeverfahren, das keine Präklusion kennt (§ 571 Abs. 2 ZPO), und ohne Entschuldigung für die Verspätung nachgeholt werden (vgl. BGH BeckRS 2018, 26436; OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. Juli 2021 - 4 WF 99/21 -, juris Rn. 8 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 30. Oktober 2020 - II-2 WF 185/20 -, juris Rn. 4; Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Auflage, § 124 Rn. 14).
So liegt der Fall hier. Der Antragsgegner hat nunmehr im Beschwerdeverfahren die nach § 120a Abs. 1 S. 3 FamFG geforderte Erklärung vollständig abgegeben und die notwendigen Belege zu den Akten gereicht.
Auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen kann nunmehr eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse i.S.v. § 120a Abs. 1 S. 1 ZPO wesentlich geändert haben, und ob bzw. inwieweit ihm Zahlungen auf die Verfahrenskosten aufzuerlegen sind. Hierüber hat das Familiengericht bislang nicht entschieden, so dass auch der Senat über diese Frage nicht zu befinden hat (OLG Hamm, Beschluss vom 30. Oktober 2020 - II-2 WF 185/20 -, juris Rn. 5; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - 6 WF 101/10 -, juris Rn. 5). Für die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung ist allerdings kein Raum mehr (OLG Hamm, Beschluss vom 30. Oktober 2020 - II-2 WF 185/20 -, juris Rn. 5). Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen