Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansatz des objektiven Wohnvorteils in der späteren Trennungsphase und Verwertung des Vermögensstammes
Leitsatz (amtlich)
1. Anders als bei Zurechnung nur des angemessenen Wohnvorteils für eine den tatsächlichen Wohnbedürfnissen entsprechende Wohnung in der ersten Trennungsphase ist ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens der auf dem Markt erzielbare Wert anzusetzen, da ab diesem Zeitpunkt das endgültige Scheitern der Ehe eindeutig feststeht.
2. Nach § 1577 Abs. 3 BGB analog besteht im Regelfall weder auf Seiten des Pflichtigen noch des Berechtigten eine Obliegenheit zum Einsatz des Vermögensstammes, da alle Vermögenswerte in der Regel dazu dienen, ergänzend zu sonstigem Einkommen den eigenen Unterhaltsbedarf auf Lebenszeit zu sichern. Dies hat zur Folge, dass eine Obliegenheit zur Verwertung des Vermögensstammes im Einzelfall von der voraussichtlichen Dauer der Unterhaltsbedürftigkeit und von der dauerhaften Ertragsmöglichkeit des zur Verfügung stehenden Vermögens abhängt.
Normenkette
FamFG § 239; BGB §§ 313, 1361, 1577 Abs. 3, § 1579 Nrn. 2-5, 8
Verfahrensgang
AG Steinfurt (Beschluss vom 09.11.2010; Aktenzeichen 10 F 13/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 9.11.2010 ver-kündete Beschluss des AG - Familiengericht - Steinfurt teilweise abgeändert.
Der Vergleich vom 27.1.2009 -10 F 59/08 AG Steinfurt - wird für die Zeit ab 1.8.2009 dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, an die Antragstellerin Trennungsunterhalt in monatlicher Höhe wie folgt zu zahlen:
a) August 2009 bis November 2009 445 EUR
b) Dezember 2009 bis März 2010 570 EUR
c) ab April 2010 353 EUR.
Der weiter gehende Abänderungsantrag der Antragstellerin bleibt zurückge-wiesen.
Die Kosten der ersten Instanz werden der Antragstellerin zu ¾ und dem An-tragsgegner zu ¼ auferlegt. Die Kosten der Beschwerdeinstanz trägt der An-tragsgegner allein.
Dieser Beschluss ist sofort wirksam.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines Vergleiches betreffend den Trennungsunterhalt für die Zeit ab August 2009.
Die am 23 6. 1964 geborene Antragstellerin und der am 20.8.1962 geborene Antragsgegner haben am 28.8.1987 die Ehe geschlossen, aus der die beiden Kinder E, geboren am 6.10.1989, sowie Q, geboren am 2.1.1994, hervorgegangen sind. Die Antragstellerin hat nach Erlangung des Hauptschulabschlusses vom 1.8.1981 bis zum 12.7.1982 eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau absolviert und anschließend bis 1985 als Verkäuferin gearbeitet. Ab 1986 arbeitete sie als Hospitesse im Q1 Hospital und erlernte dort die Datenverarbeitung mit Standardprogrammen am PC. In der Zeit von Januar 1988 bis August 1989 arbeitete sie als Einzelhandelskauffrau bei der Firma T und Mode, ab Oktober 1989 war sie zunächst in Erziehungsurlaub. Bis zur Geburt des zweiten Sohnes ging sie anschließend nur geringfügigen Beschäftigungen nach. Ab dem Jahre 1985 widmete sie sich mit einer einjährigen Unterbrechung bis in das Jahr 2006 hinein der Pflege und Betreuung der Tante des Antragsgegners, die gemeinsam mit den Beteiligten im Hause C-Straße wohnte. In der Zeit von 1997 bis 2005 arbeitete sie als hauswirtschaftliche Hilfe in einem Altenheim.
Die Beteiligten haben sich zunächst Ende 2007 innerhalb des von ihnen bewohnten Hauses C-str. 91 in Z1, das im Alleineigentum des Antragsgegners steht, getrennt; im Mai 2008 erfolgte sodann die endgültige räumliche Trennung durch Auszug der Antragstellerin zusammen mit den beiden gemeinsamen Söhnen.
Ein Scheidungsverfahren ist unter dem Aktenzeichen 10 F 177/08 AG Steinfurt seit dem 18.12.2008 rechtshängig. Im Verbundverfahren sind Zugewinn und Hausratsteilung ebenfalls anhängig, eine Entscheidung ist bisher noch nicht abzusehen. Die Beteiligten sind zu je ½ Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses, die hieraus erzielten Mietzinsen werden hälftig zwischen ihnen aufgeteilt. Darüber hinaus bewohnt der Antragsgegner das ererbte und in seinem Alleineigentum stehende Einfamilienhaus mit einer Grundstücksfläche von 1445 m2 und einer Wohnfläche von 170 m2 zzgl. einer weiteren Fläche von ungefähr 40 m2 mit Freisitz, Sauna und Garage. Die Antragstellerin geht nunmehr einer halbschichtigen Tätigkeit im N-Spital in S nach, daneben arbeitete sie noch in einem Modegeschäft und seit September 2010 in einer Ganztagsschule. Insgesamt beträgt ihre Arbeitszeit 30 Wochenstunden. Durch Vergleich vom 27.1.2009 verpflichtete sich der Antragsgegner in dem Verfahren 10 F 59/08 AG Steinfurt dazu, an die Antragstellerin monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 312 EUR zu zahlen. Grundlage dieses Vergleiches war ein Erwerbseinkommen des Antragsgegners aus abhängiger Beschäftigung i.H.v. 2218 EUR zzgl. einer Ersparnis aus Spesenzahlungen von 90 EUR und einem angemessenen Wohnwertvorteil i.H.v. 350 EUR, von dem die damaligen Tabellenzahlbeträge für die gemeinsamen Kinder in Abzug gebracht wurden. Auf Seiten der Antragstellerin wurde ein Erwerbseinkommen i.H.v. 300 EUR aus einer geringf...