Leitsatz (amtlich)
1. Die Grundsätze der Rechtsprechung zur Ablehnung von Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit gem. § 406 Abs. 1 ZPO können auf ehrenamtliche Richter übertragen werden.
2. Enge geschäftliche Kontakte zu einer Partei oder ein eigenes - und sei es auch nur mittelbares - wirtschaftliches Interesse des ehrenamtlichen Richters am Ausgang des Rechtsstreits können im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit begründen.
3. Die räumliche und persönliche Struktur des Einzugsbereichs eines Landwirtschaftsgerichts kann es häufig mit sich bringen, dass die dort im selben beruflichen Umfeld tätigen Personen einander kennen und miteinander Geschäfte treiben, so dass die Hürden für eine Befangenheit nicht zu niedrig angesetzt werden dürfen. Andererseits ist auch das verständliche Interesse der Beteiligten zu respektieren, über bestehende persönliche und wirtschaftliche Verbindungen informiert zu werden. Es kommt daher im konkreten Einzelfall auf eine Würdigung aller Umstände, insbesondere auf den individuellen Umfang der persönlichen und/oder geschäftlichen Beziehungen zu den Beteiligten an.
4. Lohnarbeiten eines ehrenamtlichen Richters für einen der am Verfahren Beteiligten in einem Umfang von 250,00 EUR jährlich bei einem Gesamtumsatz von 30.000,00 EUR pro Jahr begründen im Allgemeinen noch keine Besorgnis der Befangenheit.
Normenkette
FamFG § 6; ZPO §§ 42, 406 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Lemgo (Aktenzeichen 12a Lw 26/22) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerinnen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 420.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens in der Hauptsache sind Feststellungen nach § 11 Abs. 1 g) HöfeVfO.
Die Beteiligten sind Geschwister. Ihre Eltern waren die am 00.00.2018 verstorbene K. T. und der am 00.00.2018 verstorbene L. T.. Der Vater war Eigentümer eines als Hof im Sinne der Höfeordnung eingetragenen landwirtschaftlichen Besitzes. Die Antragstellerinnen haben die Klärung der Erbfolge hinsichtlich näher bezeichneter landwirtschaftlicher Flächen beantragt.
In dem von dem Amtsgericht anberaumten Anhörungstermin vom 21.04.2023 waren als ehrenamtliche Richter Herr W. und Frau A. gegenwärtig. Auf die Frage des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerinnen an Herrn W., inwieweit er mit der Antragsgegnerin irgendwie privat oder beruflich verbunden sei, antwortete dieser, dass er als Lohnunternehmer für verschiedene Landwirte u.a. auch für die Antragsgegnerin, die er privat nicht näher kenne, mit einem Geschäftsvolumen von 200,00 bis 300,00 EUR tätig sei. Darauf lehnten die Antragstellerinnen den ehrenamtlichen Richter W. wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragstellerinnen zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Besorgnis der Befangenheit sei unbegründet. Zwar könnten wirtschaftliche Kontakte ausreichen, sofern sie die Gefahr begründeten, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit entstehen könne. Diese Gefahr sei hier jedoch zu verneinen, denn der abgelehnte ehrenamtliche Richter erziele seine Haupteinnahmen aus seinem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb. Daneben sei er wie viele andere Landwirte auch als Lohnunternehmer tätig, so dass geschäftliche und berufliche Kontakte zu den Beteiligten für sich keinen Anlass für ein Befangenheitsgesuch darstellten. Ein Befangenheitsgrund liege vielmehr erst bei einer engen Kooperation oder wirtschaftlichen Verflechtung vor. Der ehrenamtliche Richter habe aber glaubhaft angegeben, dass das Geschäftsvolumen geringfügig sei. Die Antragstellerinnen hätten auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass dies nicht zutreffe und sich die Geschäftskontakte deutlich ausweiten würden. Darüber hinaus sei zu bedenken, dass nicht jeder berufliche und persönliche Kontakt zur Begründung eines Befangenheitsantrages ausreiche, da ansonsten ein Stillstand der Rechtspflege zu befürchten sei.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerinnen. Zu deren Begründung führen sie aus, die Voraussetzungen für die Besorgnis der Befangenheit lägen vor. Der ehrenamtliche Richter habe geschäftliche Kontakte zu der Antragsgegnerin eingeräumt, wobei offengeblieben sei, worauf sich die von ihm angegebenen Beträge bezögen. Gegenstand des Verfahrens seien die Ackerflächen, auf die sich die berufliche Tätigkeit des Richters beziehe. Es bestehe deshalb eine besondere Beziehung zum Verfahrensgegenstand, aus der sich die Besorgnis ergebe, dass der ehrenamtliche Richter ein Interesse am Ausgang des Verfahrens haben könne. Diese berufliche Verbindung sei vorab nicht offengelegt worden.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache durch Beschluss vom 13.11.2023 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der abgelehnte ehrenamtliche Richter W. hat mit Datum vom 05.05.2024 eine S...