Leitsatz (amtlich)
1. Die Grundsätze der Rechtsprechung zur Ablehnung von Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit gem. § 406 Abs. 1 ZPO können auf ehrenamtliche Richter übertragen werden.
2. Enge geschäftliche Kontakte zu einer Partei oder ein eigenes - und sei es auch nur mittelbares - wirtschaftliches Interesse des ehrenamtlichen Richters am Ausgang des Rechtsstreits können im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit begründen.
3. Die räumliche und persönliche Struktur des Einzugsbereichs eines Landwirtschaftsgerichts kann es häufig mit sich bringen, dass die dort im selben beruflichen Umfeld tätigen Personen einander kennen und miteinander Geschäfte treiben, so dass die Hürden für eine Befangenheit nicht zu niedrig angesetzt werden dürfen. Andererseits ist auch das verständliche Interesse der Beteiligten zu respektieren, über bestehende persönliche und wirtschaftliche Verbindungen informiert zu werden. Es kommt daher im konkreten Einzelfall auf eine Würdigung aller Umstände, insbesondere auf den individuellen Umfang der persönlichen und/oder geschäftlichen Beziehungen zu den Beteiligten an.
4. Lohnarbeiten eines ehrenamtlichen Richters für einen der am Verfahren Beteiligten in einem Umfang von 250,00 EUR jährlich bei einem Gesamtumsatz von 30.000,00 EUR pro Jahr begründen im Allgemeinen noch keine Besorgnis der Befangenheit.
Normenkette
FamFG § 6; ZPO §§ 42, 406 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Lemgo (Aktenzeichen 12a Lw 57/22) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsgegnerinnen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 100.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens in der Hauptsache ist die Beantragung eines Hoffolgezeugnisses durch die Antragstellerin.
Die Beteiligten sind Schwestern. Ihre Eltern waren die am 00.00.0000 verstorbene J. S. und der am 00.00.0000 verstorbene F. S.. Der Vater war Eigentümer eines als Hof im Sinne der Höfeordnung eingetragenen landwirtschaftlichen Besitzes.
Die Beschwerdeführerinnen haben in dem Verfahren den ehrenamtlichen Richter N. Y. unter Verweis auf dessen Äußerungen im Anhörungstermin in der Sache 12 a Lw 26/22 (= 10 W 128/23 OLG Hamm) wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dort hatte der ehrenamtliche Richter angegeben, als Lohnunternehmer geschäftliche Kontakte zu der Antragstellerin im hiesigen Verfahren in einer Größenordnung von 200,00 EUR bis 300,00 EUR zu unterhalten.
Das Amtsgericht hat ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch den angefochtenen Beschluss den Befangenheitsantrag als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen in dem Verfahren 12 a Lw 26/22 (= 10 W 128/23 OLG Hamm) Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegnerinnen sofortige Beschwerde eingelegt. Sie tragen zur Begründung vor, der ehrenamtliche Richter habe geschäftliche Kontakte zur Antragsgegnerin eingeräumt, wobei offengeblieben sei, worauf sich die von ihm angegebenen Beträge bezögen. Gegenstand des Verfahrens seien die Ackerflächen, auf die sich die berufliche Tätigkeit des Richters beziehe. Es bestehe deshalb eine besondere Beziehung zum Verfahrensgegenstand, aus der sich die Besorgnis ergebe, dass der ehrenamtliche Richter ein Interesse am Ausgang des Verfahrens haben könne. Diese berufliche Verbindung sei vorab nicht offengelegt worden.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache unter Bezugnahme auf den Inhalt des Beschlusses vom 27.04.2023 durch Beschluss vom 22.05.2023 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der abgelehnte ehrenamtliche Richter hat mit Datum vom 05.05.2024 eine Stellungnahme abgegeben. Darin heißt es auszugsweise:
"... als landwirtschaftlicher Lohnunternehmer biete ich mit einer speziellen Einzelkorndrille Dienstleistungen an. Für die Eheleute T. waren das im Jahr 2022 und 2023 Möhren und Rote Beete für ihren Hofladen. Diese werden dann im Oktober und November frisch über deren eigenen Hofladen verkauft.
Es findet keine Einlagerung statt, deshalb sind nur sehr kleine Aussaatmengen nötig, d.h. jeweils ca. 0,5ha. Der Preis für die Aussaat beträgt 120,- Euro je Hektar, hinzukommt die An- bzw. Abfahrt mit dem Schlepper, die ca. 1,5 Stunden beansprucht mit 80,-/Std. Somit ergibt sich die angegebene Größenordnung.
Als Anmerkung möchte ich hinzufügen, dass der gesamte Umsatz meiner Dienstleistungen an alle Betriebe/Kunden ca. 30.000,- Euro beträgt. In diesem Fall müssten wir über eine Größenordnung von 250,- Euro diskutieren. ..."
II. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Rechtsmittel ist zwar gemäß §§ 9, 5 LwVfG in Verbindung mit § 6 FamFG, §§ 42, 567 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 569 ZPO eingelegt.
In der Sache ist die sofortige Beschwerde jedoch unbegründet.
Nach § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgni...