Entscheidungsstichwort (Thema)
Informations- und Unterhaltungselektronik. Überprüfung. Schnittstellen. Verplombung. Kosten. Kostenbeteiligung
Leitsatz (amtlich)
Das Maßregelvollzugsgesetz NRW (und ebenso das inzwischen für den Maßregelvollzug geltende Strafrechtsbezogene Unterbringungsgesetz NRW - StrUG NRW) enthält keine Rechtsgrundlage dafür, den Untergebrachten die Kosten einer Überprüfung der von ihnen eingebrachten technischen Geräte aufgrund von Sicherheitsbedenken gemäß den Vorgaben der Einrichtung bzw. die Kosten für die Unbrauchbarmachung sicherheitsbedenklicher Funktionen und Schnittstellen von eigengenutzten technischen Geräten ganz oder teilweise aufzubürden.
Normenkette
StVollzG §§ 109 ff.
Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 13 StVK 1/21) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last (§ 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StPO).
Gründe
I.
Der Betroffene befindet sich im Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB in dem LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie A. Nach den Feststellungen in dem angefochtenen Beschluss erhob die Klinik im Zusammenhang mit der Anschaffung eines eigengenutzten Fernsehgerätes und einer eigengenutzten Stereoanlage gemäß einer "Medienregelung der LWL-Maßregelvollzugsabteilung Westfalen" vom 01. April 2019 von dem Betroffenen einen - der Höhe nach streitigen - Kostenbeitrag für die Unbrauchbarmachung bestimmter medialer Schnittstellen an den Geräten, worauf sie den Betroffenen im Vorfeld der Anschaffung hingewiesen hatte.
Hiergegen hat sich der Betroffene mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 11. Januar 2021 gewandt, in dessen Folge die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss antragsgemäß festgestellt hat, "dass die Erhebung des Kostenbeitrags von dem Antragsteller für die Sicherheitsprüfung des TV-Gerätes Dyon TV Live Pro und der von ihm erworbenen Stereoanlage rechtwidrig ist" und zudem ausgesprochen hat, dass "gegebenenfalls bereits geleistete Zahlungen des Antragstellers (...) an diesen zurück zu gewähren" sind. Zur Begründung hat die Strafvollstreckungskammer im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erhebung eines Kostenbeitrags von dem Betroffenen für die Unbrauchbarmachung sicherheitskritischer Schnittstellen an technischen Geräten in Ermangelung einer Rechtsgrundlage unrechtmäßig sei. Gem. § 30 MRVG NRW seien die Untergebrachten, denen zum Schutz der Allgemeinheit ein präventives Sonderopfer abverlangt werde, grundsätzlich nicht an den Kosten der Vollziehung der Unterbringung zu beteiligen. Hierunter würden auch die Kosten der von der Klinik geforderten Sicherheitsprüfung durch Unbrauchbarmachung bestimmter medialer Schnittstellen an den von dem Betroffenen erworbenen Elektronikgeräten fallen, da diese allein den Sicherungszwecken der Klinik diene. Zwar sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, eine Rechtsgrundlage für eine Beteiligung der Untergebrachten an diesen Kosten zu erlassen. Hiervon habe der Landesgesetzgeber indes keinen Gebrauch gemacht. Die von der Klinik in Bezug genommene "Medienregelung der LWL-Maßregelvollzugsabteilung Westfalen", der weder Gesetzes- noch Verordnungsrang zukomme, stelle keine taugliche Rechtsgrundlage dar.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe als untere staatliche Maßregelvollzugsbehörde mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Er macht im Wesentlichen geltend, die Strafvollstreckungskammer habe die gebotene und entscheidungserhebliche Unterscheidung zwischen einer unzulässigen Abwälzung originärer Unterbringungskosten und der hier gegebenen Pflicht der Untergebrachten zur Tragung von Kosten, die im Rahmen der Ausübung eigener Rechte bzw. gewillkürter Anschaffungen von Gegenständen entstehen würden, verkannt. Vorliegend gehe es um die nach § 7 MRVG NRW zulässige Möglichkeit, dem Betroffenen als milderes Mittel gegenüber der vollständigen Versagung die Einbringung der abstrakt gefährlichen technischen Geräte unter der Auflage zu erlauben, dass die sicherheitsbedenklichen medialen Schnittstellen auf Kosten des Untergebrachten durch einen Fachmann unbrauchbar gemacht würden. Es handele sich insofern bei den streitgegenständlichen Kosten um reine Anschaffungskosten für ein sicheres bzw. sicher gemachtes Gerät und nicht um originäre Vollzugskosten. Dementsprechend sei Kostengläubiger auch nicht die Klinik, sondern der private Dritte, welcher die Unbrauchbarmachung der sicherheitskritischen medialen Schnittstellen technisch-fachmännisch vornehme.
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW) wurde beteiligt und hat sich der Rechtsbeschwerde nicht angeschlossen. Es hält diese für zulässig, jedoch unbegründet, da das MRVG NRW keine Rechtsgrundlage für die Erhebung von Kosten für die Unbrauchbarmachung sicherheitsbedenklicher Funktionen...