Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßregel. Sicherungsverwahrung. Bewährung. Widerruf. Sachverständigengutachten
Leitsatz (amtlich)
Bei einem Widerruf der Sicherungsverwahrung zur Bewährung ist die Hinzuziehung eines Sachverständigen grundsätzlich geboten.
Normenkette
StGB § 67g; StPO § 246a; GG Art. 2 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen V-1 StVK 101/17 BEW) |
LG Hamburg (Entscheidung vom 13.07.2009) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Landgericht Hamburg hat den Beschwerdeführer am 13. Juli 2009, rechtskräftig seit dem 15. Oktober 2010, wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Die verhängte Freiheitsstrafe von neun Jahren ist seit dem 3. Dezember 2016 vollständig verbüßt. Im Anschluss wurde gegen den Beschwerdeführer bis zum 4. Juni 2018 noch die Restfreiheitsstrafe aus einem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. Juli 1998 vollstreckt.
Unter dem 24. April 2018 hat die Sachverständige A im Auftrag der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg (Beschluss vom 16. Oktober 2017) ein schriftliches Sachverständigengutachten zu der Frage, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Anschluss an die Strafhaft noch erforderlich ist (§ 67c Abs. 1 Satz 1 StGB), erstattet.
Mit Beschluss vom 17. Mai 2018, rechtskräftig seit dem 5. Juni 2018, hat die 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg nach mündlicher Anhörung des Beschwerdeführers, der Sachverständigen A sowie der zuständigen Mitarbeiter des psychologischen Dienstes sowie des Sozialdienstes der Justizvollzugsanstalt B u.a. die Vollstreckung der mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Juli 2009 angeordneten Sicherungsverwahrung zur Bewährung ausgesetzt und ihm neben weiteren die folgenden Weisungen erteilt:
"VI.
(...)
4) Er hat zu seinem Bewährungshelfer/seiner Bewährungshelferin guten Kontakt zu halten und diesen/diese persönlich zu den Sprechzeiten an dem Dienstsitz aufzusuchen. Falls er sich nach seiner Entlassung noch ein paar Tage in Deutschland aufhält, wird ihm aufgegeben, sich spätestens zwei Tage nach seiner Entlassung bei dem Bewährungshelfer/der Bewährungshelferin persönlich vorzustellen. Zu Zeiten, in denen er sich nicht in Deutschland aufhält, hat er den Bewährungshelfer/der Bewährungshelferin regelmäßig einmal im Monat und zwar am ersten Werktag des Monats innerhalb der Dienstzeit anzurufen (nach Absprache kann auch E-Mail Kontakt oder Whats-App Kontakt ausreichend sein). Falls sich der Betroffene kurzfristig oder längerfristig wieder in Deutschland aufhält, hat er spätestens zwei Tage nach seiner Einreise den Bewährungshelfer/die Bewährungshelferin persönlich zu den Sprechzeiten an dem Dienstsitz aufzusuchen.
5) Dem Betroffenen wird es untersagt, nach G einzureisen und/oder sich dort aufzuhalten.
(...)"
Der Beschwerdeführer ist am 4. Juni 2018 entlassen worden.
Mit Schreiben vom 27. Januar 2020 hat der Beschwerdeführer beantragt, ihm zu gestatten, für drei Wochen nach E/G auszureisen.
Mit Beschluss vom 5. März 2020 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Beschwerdeführers, ihm zu gestatten, für drei Wochen nach G zu reisen, abgelehnt.
Am 27. Mai 2020 hat der Beschwerdeführer in einem Telefonat mit seinem Bewährungshelfer angegeben, in Kenntnis des ablehnenden Beschlusses vom 5. März 2020 aufgrund der Pandemie in H "festzusitzen", wo er schwer erkrankt und längere Zeit in stationärer Behandlung gewesen sei.
Einer Mitteilung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in I vom 19. Oktober 2020 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer nach Auskunft der Gschen Migrationsbehörde am 26. Februar 2020 aus F/H kommend nach E/G eingereist sei und sich seitdem in G befinden dürfte, da seitdem keine Ausreise registriert worden sei.
Mit Verfügung vom 17. November 2020 hat die Staatsanwaltschaft Hamburg beantragt, die mit Beschluss vom 17. Mai 2018 zur Bewährung ausgesetzte Maßregel zu widerrufen.
Mit Schreiben vom 31. Mai 2021 hat die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten nach entsprechenden Mitteilungen des Bewährungshelfers aufgefordert, Belege für den von ihm mitgeteilten Krankenhausaufenthalt sowie den pandemiebedingt stornierten Rückflug nach Deutschland zu übersenden. Zudem wies sie ihn auf die erteilten Weisungen - insbesondere die Kontakthaltung zum Bewährungshelfer sowie das Verbot der Einreise nach G - hin.
Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2021 beantragte die Verteidigerin ergänzende Akteneinsicht und kündigte an, dass sich der Beschwerdeführer um die entsprechenden Nachweise bemühen werde.
Mit Verfügung vom 27. Oktober 2021 hielt die Staatsanwaltschaft Hamburg an dem Widerrufsantrag fest.
Nachdem der Verteidiger...