Entscheidungsstichwort (Thema)

Abrechnung mehrerer Angelegenheiten bei nur einem Beratungshilfeschein

 

Normenkette

RVG § 16 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Aktenzeichen 3 T 448/10)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die weitere Beschwerde ist gem. den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG zulässig.

Das LG hat die weitere Beschwerde in der angefochtenen Entsch. zugelassen. Sie ist auch fristgerecht (§§ 56, 33 Abs. 3 Satz 3, Abs. 6 Satz 4 RVG) innerhalb der zweiwöchigen Frist eingelegt worden. Die angefochtene Entsch. ging dem Beteiligten zu 2) am 11.11.2010 zu. Die mit Schreiben v. 18.11.2010 eingelegte weiter Beschwerde erfolgte danach fristgerecht.

Ausnahmsweise sieht der Senat auch davon ab, die Sache zur Herbeiführung einer ordnungsgemäßen Nichtabhilfeentscheidung an das LG zurückzugeben. Der Beteiligte zu 2) hat mit seiner weiteren Beschwerde keinen neuen Sach- und Streitstand eingeführt, den das LG im Nichtabhilfeverfahren ergänzend hätte berücksichtigen müssen.

II. Die weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Sie enthält keinen Rechtsfehler zu Lasten der Staatskasse, woraufhin sie vorliegend nur nachzuprüfen war (§ 33 Abs. 6 RVG i.V.m. §§ 546, 547 ZPO). Die Festsetzung der Gebühren zu Gunsten des Beteiligten zu 1) für erbrachte Beratungshilfe in zwei selbständigen Angelegenheiten weist Rechtsfehler nicht auf.

1. Die Frage, in welchem Umfang dem RA für die Beratungshilfe ein Gebührenanspruch erwächst, ist in der Rspr. und Literatur äußerst unterschiedlich beantwortet worden. Maßgeblich für die Beantwortung dieser Frage ist der Begriff der Angelegenheit. Gem. § 2 Abs. 2, 6 BerHG wird die Beratungshilfe in "Angelegenheiten" gewährt. Nach § 44 RVG wird die Vergütung für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe nach dem RVG gewährt. Nach dem RVG richtet sich die Vergütung maßgeblich danach, wie viele verschiedene Angelegenheiten die Beratung umfasst hat. Da der Begriff der Angelegenheit im Beratungshilfegesetz nicht näher geregelt ist, ist nach einhelliger Auffassung auf die gebührenrechtlichen Vorschriften des RVG zurückzugreifen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.8.2008, Az: I-10 W 85/08; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.10.2006, Az: 8 W 360/06). Entscheidend für das Vorliegen einer Angelegenheit ist, ob ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang gegeben sind.

2. Bei der Ausfüllung dieser Kriterien werden insbesondere bei familienrechtlichen Beratungsgegenständen unterschiedliche Ansichten vertreten. So wird zum Teil vertreten, dass es sich insgesamt um eine einzige Angelegenheit handelt, gleichgültig, ob es um Trennungsunterhalt, Ehescheidung, Versorgungsausgleich, Vermögensauseinandersetzung, Kindesunterhalt, nachehelichen Ehegattenunterhalt, Sorgerecht, Umgangsrecht, Hausratsverteilung usw. geht, weil Ursprung der einheitliche Lebenssachverhalt des Scheiterns der Ehe sei (OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.3.2004, Az: 7 W 719/04).

Die andere Meinung betont die Selbstständigkeit und Verschiedenartigkeit der einzelnen Familiensachen und geht deshalb von verschiedenen Angelegenheiten aus, wobei innerhalb dieser Auffassung weiterhin differenziert wird teils nach Sachgruppen der Beratung (Ehegatten und Kindesunterhalt als eine Angelegenheit sowie Umgangsrecht als eine weitere, vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 20.9.2004, Az: 4 WF 164/04), teils danach unterschieden wird, ob die Beratung Regelungen für die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung betrifft oder solche danach. Letztere Ansicht sieht in den Trennungs- und Scheidungsfolgen je eine Angelegenheit iSd. Gebührenrechts (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.10.2006, Az: 8 W 360/06). Eine weitere Ansicht (vgl. LG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2007, Az: 19 T 361/06) geht hinsichtlich der verschiedenen Trennungsfolgen von verschiedenen Angelegenheiten aus. Gleiches soll nach dem OLG Düss. (Beschluss v. 14.10.2008, Az: I-10 W 85/08) und OLG Frankfurt (Beschluss v. 12.8.2009, 20 W 197/09) auch dann gelten, wenn die Beratung nicht nur Trennung, sondern auch Scheidungsfolgen betrifft, die später im gerichtlichen Verbundverfahren geltend zu machen seien. Begründet wird diese Ansicht damit, dass § 16 Nr. 4 RVG, der die Scheidungssache und ihre Folgen im gerichtlichen Verbundverfahren gebührenrechtlich zu einer Angelegenheit zusammenfasst, mangels einer planwidrigen Regelungslücke nicht auf die vorgelagerte außergerichtliche Beratungshilfe angewendet werden könne. Da die Diskussion um den Begriff der Angelegenheit bereits zu § 7 Abs. 3 BRAGO geführt wurde und der Gesetzgeber auf eine klarstellende Regelung im § 16 RVG verzichtet hat, könne nicht mehr von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden.

3. Im vorliegenden Fall kann die Frage, ob § 16 RVG für die außergerichtliche Beratungshilfe in Scheidungs- und Folgesachen Anwendung findet, dahin stehen. Für den hier interessierenden Fall der außergerichtlichen Beratung von Trennungsfolg...

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