Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtstrafe. nachträgliche Einbeziehung. Doppelbestrafung
Leitsatz (amtlich)
Von der Einbeziehung rechtskräftiger Einzelstrafen gemäß § 55 Abs. 1 StGB ist abzusehen, wenn diese bereits in eine andere noch nicht rechtkräftige Verurteilung einbezogen wurden oder aus einem Verfahren stammen, in dem über die Gesamtstrafe noch nicht rechtskräftig entschieden ist (folgend: BGH, Beschluss vom 03.12.2013 - 4 StR 404/13 - [...]; BGH, Beschluss vom 29.06.2011 - 1 StR 191/11 - [...]).
Normenkette
StGB § 55; StPO § 354 Abs. 1b
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 11.07.2014; Aktenzeichen 6 Ns 2/14) |
AG Minden (Entscheidung vom 09.10.2013) |
Tenor
Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe wird unter Verwerfung der weitergehenden Revision mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Strafrichter - Minden verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 9. Oktober 2013 wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.
Auf die gegen dieses Urteil gerichtete und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat die 6. kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld durch Urteil vom 11. Juli 2014 das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch unter Verwerfung der weitergehenden Berufung dahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 28. Mai 2013 (27 Ds 540 Js 34299/12) zu einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist.
II.
Die gegen diese Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat nur im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe (geringen) Erfolg.
Im Übrigen ist die Revision offensichtlich unbegründet, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Schuldspruch und die verhängten Einzelstrafen sind damit in Rechtskraft erwachsen.
Die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 28. Mai 2013 (rechtskräftig seit dem 5. Juni 2013) hält jedoch der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht Stand.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils ist die dreimonatige Freiheitsstrafe aus diesem Urteil (ebenfalls) einbezogen worden in das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 18. März 2014, durch das der Angeklagte wegen dreier am 6. Mai 2013 begangener Fälle des Diebstahls - unter Einbeziehung der vorgenannten Strafe - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden ist. Diese Verurteilung des Amtsgerichts Freiburg ist nach den Festellungen nicht rechtskräftig, da der Angeklagte hiergegen Berufung eingelegt habe, über die noch nicht entschieden sei.
Zwar hat das erkennende Gericht grundsätzlich nach § 55 Abs. 1 StGB nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Von diesem Grundsatz kann aber eine Ausnahme dann zu machen sein, wenn durch eine Einbeziehung die Gefahr einer verbotenen Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) begründet würde. Daher ist von der Einbeziehung rechtskräftiger Einzelstrafen gemäß § 55 Abs. 1 StGB abzusehen, wenn diese bereits in eine andere noch nicht rechtskräftige Verurteilung einbezogen wurden oder aus einem Verfahren stammen, in dem über die Gesamtstrafe noch nicht rechtskräftig entschieden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 03.12.2013 - 4 StR 404/13 - [...]; BGH, Beschluss vom 29.06.2011 - 1 StR 191/11 - [...]).
Die Gefahr der Doppelbestrafung besteht auch vorliegend: Wenn das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 18. März 2014 rechtskräftig würde, wäre die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 28. Mai 2013 in die dort verhängte Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen und ebenso in dem hier zugrunde liegenden Berufungsurteil der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 11. Juli 2014.
Die Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 28. Mai 2013 hätte daher im vorliegenden Verfahren unterbleiben müssen.
Der Senat macht von der Möglichkeit, nach § 354 Abs. 1b StPO zu entscheiden, Gebrauch und verweist die Sache in das Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zur nachträglichen gerichtlichen Entscheidung über die Gesamtstrafe.
Das insoweit gemäß §§ 460, 462a Abs. 3 S.1 StPO zuständige Amtsgericht Minden wird aus den rechtskräftigen Einzelfreiheitsstrafen von fünf und zwei Mal sieben Monaten eine neue Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden haben; eine Einbeziehung der dreimonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 28. Mai 2013 wegen der am 29. Oktober 2012 begangenen Straftat des fahrlässigen Fahrens trotz Fahrverbots kann dabei in Betracht kommen, wenn diese im Strafausspruch des Urteils des Amtsgerichts Freiburg vom 18. März 2014 - rechtskräftig - keine Berücksic...