Leitsatz (amtlich)

Der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, muss auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Verknüpfungstatsachen und der daraus geschlossenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen.

 

Verfahrensgang

AG Siegen (Entscheidung vom 21.05.2007)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Siegen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 395,00 EUR verurteilt und daneben ein Fahrverbot von 3 Monaten festgesetzt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts fuhr der Betroffene am 17.05.2006 um 17.24 Uhr außerhalb der geschlossenen Ortschaft Kreuztal-Buschhütten auf der B 54N/HTS in Höhe der Anschlussstelle Buschhütten in Fahrtrichtung Siegen mit einem PKW mit einer Geschwindigkeit von 177 km/h (abzüglich der Toleranz), obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit an dieser Stelle 100 km/h betrug.

Der Betroffene hat bestritten, Fahrer des PKW gewesen zu sein. Seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen hat der Tatrichter u. a. wie folgt begründet:

"Nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. handelt es sich bei dem Betroffenen um den Fahrer des abgelichteten Pkw's. Nach Ausführungen des Sachverständigen ist das Messfoto nicht von guter Qualität, jedoch zur Identifizierung des Fahrers geeignet. Das Foto wurde von vorne links aufgenommen. Die Blickrichtung des Fahrers reicht dabei nach vorne. Wesentliche Verdeckungen des Gesichts, die die Beurteilungsmöglichkeit einschränken könnten, liegen nicht vor.

Das Gesicht des Fahrers ist schmal, lang mit einer angedeuteten elliptischen Grundform. Die Stirn ist mittelhoch und steil stehend. Die Augenbrauen sind kräftig gezeichnet und verlaufen in einem flachen Bogen. Die Nasenwurzel ist schmal, der Nasenrücken gradlinig und mittellang und die Nasenkuppe ist in spitzer Form. Das Kinn ist rund und der Unterkieferast deutlich abgesetzt vom Hals. Das linke Ohr ist eingeschränkt abgebildet, die Form des Ohrläppchens ergibt sich aus dem Bild nicht eindeutig.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen bestehen zwischen dem auf dem Messfoto abgebildeten Fahrer und dem Betroffenen keine Unähnlichkeiten bezüglich folgender Punkte:

Zwischen dem abgelichteten Fahrer und dem Betroffenen stimmen die hohe Stirn, die Stirnhaargrenze sowie die linke Schläfenhaargrenze überein. Ebenso wie der abgebildete Fahrer weist der Betroffene ausgeprägte Augenbrauen auf, deren Verlauf mit denen des Betroffenen übereinstimmt. Fahrer und Betroffener weisen jeweils eine schmale Nasenwurzel sowie eine spitze Nasenkuppe auf. Ferner besteht eine Ähnlichkeit zwischen dem Betroffenen und dem abgelichteten Fahrer hinsichtlich der Hauptoberlippe sowie der Schleimhautoberlippe.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen liegt zudem eine Übereinstimmung zwischen dem abgelichteten Fahrer und dem Betroffenen hinsichtlich des Kinns, des Unterkieferastes und der Form des linken Ohres vor.

Vorbehaltlich der Vergleichbarkeit mit blutsverwandten Angehörigen des Betroffenen kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass zwischen dem Betroffenen und dem abgelichteten Fahrer "höchstwahrscheinlich" eine Identität besteht."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, der noch ausreichend eine Sachrüge zu entnehmen ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Siegen zurückzuverweisen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat - zumindest vorläufig - Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ausgeführt:

"Das Amtsgericht hat sich nicht rechtsfehlerfrei von der Täterschaft des Betroffenen überzeugt.

Das Gericht hat entgegen der Auffassung des Betroffenen gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die in den Akten befindlichen Beweisfotos Bezug genommen. Unschädlich ist, dass das Gericht die Vorschrift des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO nicht ausdrücklich genannt hat, da die Verwendung des Gesetzestextes in den Urteilsgründen ausreicht (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 09.02.2005 - 4 SsOWi 68/05 - m. w. N.). Im Übrigen ist aus den Urteilsgründen nicht zweifelhaft, zu welchem Grund die Bezugnahme erfolgte und worauf sie sich bezog, zumal das Bußgeldverfahren hier nur einen Messvorgang mit den dabei gefertigten Fotos zum Gegenstand hatte, so dass Unklarheiten und Verwechselungen ausgeschlossen sind.

Darüber hinaus hat das Amtsgericht ein Sachverständig...

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