Leitsatz (amtlich)

Der drohende Verlust des Arbeitsplatzes, der das Absehen von einem Regelfahrverbot rechtfertigen soll, wird i.d.R. nicht durch ein bloßes Schreiben des Arbeitgebers des Betroffenen hinreichend bestätigt werden können.

 

Verfahrensgang

AG Essen (Entscheidung vom 10.08.2005)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Essen hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 250,00 EUR verurteilt; von der Verhängung eines Fahrverbots wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 Bußgeldkatalogverordnung hat das Amtsgericht abgesehen.

Nach den getroffenen Feststellungen fuhr der Betroffene am 08.02.2005 gegen 20.16 Uhr die Bredeneyer Straße in Fahrtrichtung Werden. In Höhe des Löwentals fuhr er mit einer Geschwindigkeit von mindestens 93 km/h, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur 60 km/h betrug. Zumindest aus grober Nachlässigkeit heraus ist dem Betroffenen entgangen, dass er nur 60 km/h hätte fahren dürfen. Der Betroffene hat diesen Sachverhalt nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils voll umfänglich eingeräumt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Essen mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Sie ist ausweislich der Rechtsbeschwerdebegründung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel der örtlichen Staatsanwaltschaft beigetreten.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg, denn die Rechtsfolgenentscheidung des angefochtenen Urteils weist einen durchgreifenden materiell-rechtlichen Rechtsfehler auf.

Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 08.12.2005 folgendes ausgeführt:

"Die knappen Urteilsgründe dürften den Anforderungen, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu stellen sind, noch genügen. Nach dieser Rechtsprechung sind (nur) erforderlich die Angabe des Messverfahrens und des berücksichtigten Toleranzwertes, soweit die Überzeugung des Tatrichters von der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf mit anerkannten Geräten in weithin standardisierten Verfahren gewonnenen Messergebnissen beruht (zu vgl. Hentschel, StV, 37. Aufl., § 3 StVO, Rdn. 56 b m. w. N.). Diesen Ansprüchen wird das Urteil des Amtsgerichts Essen noch gerecht. Das Amtsgericht teilt mit, dass die Geschwindigkeitsmessung mittels eines Radarmessgeräts - hierbei handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren - durchgeführt worden ist. Überdies lässt sich den Feststellungen entnehmen, welche zulässige Höchstgeschwindigkeit der Betroffene zur Tatzeit mit dem von ihm innerhalb geschlossener Ortschaft geführten Pkw zu beachten hatte und in welchem Umfang der Betroffene diese Geschwindigkeit überschritten hat. Zwar enthalten die Urteilsgründe Angaben zu dem vorgenommenen Toleranzabzug von der gemessenen Geschwindigkeit des Betroffenen nicht, das Amtsgericht stellt insoweit lediglich eine "Netto"-Geschwindigkeit von 93 km/h fest. Das Fehlen dieser Angabe bedeutet aber nicht, dass die Feststellungen zu der dem Betroffenen vorgeworfenen Tat als lückenhaft anzusehen sind. Denn die Mitteilung des berücksichtigten Toleranzwertes ist nicht zur vollständigen Sachverhaltsfeststellung bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung erforderlich, sondern um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung zu ermöglichen. Eine lückenhafte Beweiswürdigung schließt aber ebenso wie eine falsche Anwendung des geltenden Rechts eine Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht aus (zu vgl. OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 18.03.2004 - 3 Ss OWi 11/04 -).

Jedoch kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils aus den zutreffenden Gründen der Rechtsbeschwerdebegründung der Staatsanwaltschaft Essen, auf die insoweit Bezug genommen wird, keinen Bestand haben. Denn die Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen weder für sich genommen noch unter Gesamtwürdigung aller Umstände das Absehen von der Verhängung eines gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaft um 33 km/h gemäß lfd. Nr. 11.3.6 der Tabelle 1 c des Anhang zu Nr. 11 der Anlage zu Absatz 1 BKatV regelmäßig vorgesehenen Fahrverbots von einem Monat.

Zwar unterliegt es in erster Linie tatrichterlicher Würdigung, ob Gründe vorliegen, die ausnahmsweise Anlass geben könnten, von der Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 1 BkatV abzusehen (zu vgl. BGHSt 38, 231, 237; OLG Hamm, NZV 1997, 185). Dem Tatrichter steht aber kein rechtli...

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