Leitsatz (amtlich)
Das bloße Fehlen eines zu dem - verspätet eingegangenen - Rechtsmittelschreiben gehörenden Briefumschlages in den Akten ist für sich genommen kein Grund, von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (Abgrenzung zu OLG Hamm [2. Strafsenat], NStZ-RR 2009, 112, und OLG Brandenburg, NZV 2006, 316).
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 4 Ns 253/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Angeklagte.
Gründe
Das Amtsgericht Detmold verurteilte die Angeklagte am 18. Juli 2011 wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 80 €. Die Berufung der Angeklagten verwarf das Landgericht Detmold mit Beschluss vom 29. November 2011, der Angeklagten mit einer Rechtsmittelbelehrung zugestellt am 9. Dezember 2011, unter Hinweis auf einen von der Angeklagten gegenüber dem Amtsgericht erklärten Rechtsmittelverzicht als unzulässig. Mit einem auf den 11. Dezember 2011 datierten und am 20. Dezember 2011 beim Landgericht Detmold eingegangenen Schreiben legte die Angeklagte gegen diesen Beschluss "Rechtsmittel" ein. Ein zu diesem Schreiben gehörender Briefumschlag befindet sich nicht bei den Akten.
1. Das Rechtsmittel der Angeklagten ist gemäß § 300 StPO als nach § 322 Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde zu behandeln. Die sofortige Beschwerde ist indes unzulässig, weil sie nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist eingelegt worden ist. Nach § 311 Abs. 2 StPO ist die sofortige Beschwerde binnen einer Woche nach der Bekanntmachung der angefochtenen Entscheidung einzulegen. Nach der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 9. Dezember 2011 endete die Wochenfrist mit Ablauf des 16. Dezember 2011 (Freitag). Das Beschwerdeschreiben ging indes erst am 20. Dezember 2011 beim Landgericht ein.
2. Es besteht kein Anlass, der Angeklagten von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 45 Abs. 2 Satz 3 StPO) nach Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen setzt voraus, dass das fehlende Verschulden des Betroffenen an der Fristversäumung (vgl. § 44 Satz 1 StPO) offensichtlich und eine Glaubhaftmachung (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO)
wegen Offenkundigkeit oder Aktenkundigkeit überflüssig ist (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. [2011], § 45 Rdnr. 12). Dies ist hier nicht der Fall. Der Akte lässt sich nicht entnehmen, aus welchem Grunde das Beschwerdeschreiben erst am 20. Dezember 2011 beim Landgericht eingegangen ist. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass dieses Eingangsdatum auf einen von der Angeklagten nicht zu vertretenden verzögerten Postlauf zurückzuführen ist. Es ist nicht einmal erkennbar, auf welchem Wege (z.B. durch Postbeförderung oder durch persönlichen Einwurf in den Gerichtsbriefkasten) die Angeklagte das Beschwerdeschreiben übermittelt hat. Es existiert kein Erfahrungssatz, dass von einem Verfahrensbeteiligten verfasste Schriftstücke stets per Post versandt und auch stets am Tage ihrer Datierung oder unmittelbar danach bei der Post aufgegeben werden. Die Angeklagte hat sich hierzu auch trotz des Hinweises auf die Fristversäumung in der ihr am 10. Januar 2012 zugestellten Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 2. Januar 2012 nicht geäußert. Auch in dem umfangreichen Schriftsatz des für die Angeklagte Eingaben verfassenden Steuerberaters T vom 11. Januar 2012, in dem der Steuerberater den Erhalt der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft bestätigt, findet sich zur Frage der Versäumung der Beschwerdefrist kein Wort.
Der Auffassung des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm (NStZ-RR 2009, 112) und des Oberlandesgerichts Brandenburg (NZV 2006, 316), wonach in den Fällen, in denen sich ein auf einen Tag innerhalb der der Rechtsmittelfrist datiertes, aber erst nach dem Fristablauf eingegangenes Rechtsmittelschreiben, indes kein dazugehöriger Briefumschlag bei den Akten befindet und das Rechtsmittelschreiben bei Aufgabe zur Post an dem Tage seiner Datierung oder unmittelbar danach unter Zugrundelegung normaler Postlaufzeiten noch rechtzeitig hätte eingehen müssen, allein wegen des bloßen Fehlens eines Briefumschlages in den Akten von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sein soll, vermag sich der
Senat nicht anzuschließen. Das bloße Fehlen eines zu dem Rechtsmittelschreiben gehörenden Briefumschlages kann für sich genommen schon allein deshalb kein Anlass für die Wiedereinsetzung von Amts wegen sein, weil grundsätzlich nicht auszuschließen ist, dass ein Briefumschlag niemals existiert hat (z.B. im Falle einer persönlichen Abgabe des Schriftstückes an der Gerichtspforte oder in der Briefannahmestelle des Gerichts); es kann allenfalls Anlass für einen Hinweis an den Betroffenen auf die Fristversäumung sein, der dem Betroffenen Gelegenheit gibt, zur Art und zu den näheren Umständen der Übermittlung des Schriftstückes vorzutragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 ...