Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebensversicherung: Widerruf gemäß § 8 VVG a.F. trotz fehlerhafter Belehrung unwirksam wegen Verpfändung der Ansprüche gegen den Versicherer
Leitsatz (amtlich)
Es ist anerkannt, dass der Widerspruch oder Widerruf (§§ 5a, 8 VVG a.F.) durch den Versicherungsnehmer wegen widersprüchlichen Verhaltens unwirksam sein kann (§ 242 BGB). Das gilt - ebenso wie bei einer zeitnah mit dem Abschluss der Lebensversicherung erfolgten Abtretung - auch bei einer Verpfändung der Ansprüche gegen den Versicherer.
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 115 O 6/19) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
Das Landgericht hat die auf die Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages - nach einem von der Klägerin erklärten Widerruf - gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe der Klägerin in der Berufungsbegründung vom 17.01.2020 (Bl. 5 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz) greifen nicht durch.
1. Der Klägerin steht der in der Hauptsache geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu.
Er ergibt sich insbesondere nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.
Die Klägerin erbrachte die Prämienzahlungen mit rechtlichem Grund, da der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag nicht aufgrund des von der Klägerin erklärten Widerrufs unwirksam geworden ist. Der Ausübung des Widerrufsrechts gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 VVG a.F. steht, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, der Einwand widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB entgegen.
a) Im Einzelfall kann die Ausübung des Widerrufs und die Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles gemäß § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, Rn. 16, BGH, Beschluss vom 27.09.2017 - IV ZR 506/15, juris; BGH, Beschluss vom 11.11.2015 - IV ZR 117/15, juris Rn. 17 f.).
Allgemein gültige Maßstäbe dazu, wann die Grundsätze von Treu und Glauben der Ausübung des Widerrufsrechts entgegenstehen, können nicht aufgestellt werden. Ihre Anwendung im Einzelfall obliegt dem Tatrichter (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2015 - IV ZR 117/15, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 11.05.2016 - IV ZR 334/15, r+s 2016, 339, juris Rn. 16).
Voraussetzung ist das Vorliegen besonders gravierender Umstände, die dem Versicherungsnehmer die Geltendmachung seines Anspruchs verwehren (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, juris Rn. 16; BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 161/15, juris Rn. 12). Nicht erforderlich sind unredliche Absichten oder ein Verschulden des Versicherungsnehmers. Durch das Verhalten des Versicherungsnehmers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2014 - IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065, juris Rn. 37).
b) Gemessen daran wertet auch der Senat, ebenso wie das Landgericht, die Erklärung des Widerrufs durch die Klägerin als gemäß § 242 BGB unzulässiges widersprüchliches Verhalten.
Dies ergibt sich aus der Nutzung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Kreditsicherungsmittel.
aa) Unstreitig verpfändete die Klägerin die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Sicherheit für ein ihr gewährtes Darlehen (Bl. 147 der elektronischen Gerichtsakte erster Instanz, im Folgenden: eGA-I). Diese Verpfändung setzte, um den Sicherungszweck erfüllen zu können und damit die Gewährung des Darlehens nicht zu gefährden, zwingend ihre Wirksamkeit voraus (vgl. für die Sicherungsabtretung BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, juris Rn. 16).
bb) Zwar kann, worauf die Berufung zu Recht hinweist, nicht automatisch vom Vorliegen gravierender Umstände ausgegangen werden, wenn die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Kreditsicherungsmittel eingesetzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2016 - IV ZR 482/14, VersR 2017, 275). Derartige gravierende Umstände kommen aber - und zwar unabhängig von der Frage, ob die Belehrung ordnungsgemäß erfolgte oder nicht - in Betracht, wenn ein solcher Einsatz als Kreditsicherheit im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages erfolgt und der Versicherer hiervon Kenntnis erhält (vgl. wiederum für den Fall der Sicherungsabtretung BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, Rn. 16; vgl. ferner Senat, Urteil vom 13.01.2017 - 20 U 159/16, VersR 2017, 806). Dabei i...