Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgreiche Ablehnung einer Gutachterin, die im Sorgerechtsverfahren ein mangelhaftes Gutachten erstellt hat
Verfahrensgang
AG Ahlen (Beschluss vom 21.04.2016) |
AG Ahlen (Beschluss vom 20.04.2016) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Ahlen vom 20./21.04.2016 abgeändert.
Die Ablehnung der Sachverständigen Diplom-Psychologin (...) ist begründet.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert beträgt 1.500,00 EUR.
Gründe
Die gemäß § 30 Abs. 1 und analog § 6 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 406 Abs. 1, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde des Kindesvaters gegen den sein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluss des AG hat in der Sache Erfolg.
1. Die nicht miteinander verheirateten Eltern des mittlerweile sechs Jahre alten Kindes (...) streiten über die elterliche Sorge. Das betroffene Kind wird derzeit im
Haushalt der Kindesmutter betreut und versorgt. Das AG hat beschlossen, Beweis zu erheben über die Frage der Erziehungsfähigkeit beider Eltern sowie zu der Frage, welche Sorgerechtsregelung dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Mit Beschluss vom 5.8.2013 hat es die Diplom-Psychologin (...) mit der Erstattung des Gutachtens beauftragt. Diese führte zunächst in der Zeit von Oktober 2013 bis Oktober 2014 Explorationsgespräche mit den Eltern, dem betroffenen Kind und weiteren Personen. Eine Interaktionsbeobachtung zwischen Vater und Kind fand im März 2015 statt. Im Oktober 2015 übersandte die Sachverständige ihr schriftliches Gutachten an das AG.
Mit Schriftsatz vom 4.11.2015 lehnte der Kindesvater die Sachverständige wegen - sich aus dem Inhalt des Gutachtens ergebender - Besorgnis der Befangenheit ab. Nach ausführlicher Stellungnahme der Sachverständigen hat das AG mit Beschluss vom 20./21.4.2016 den Ablehnungsantrag zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde, mit der er sein Ablehnungsgesuch weiter verfolgt.
2. Aus der maßgeblichen Sicht des Kindesvaters ist gem. § 42 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 406 Abs. 1 ZPO und § 30 FamFG die Besorgnis gerechtfertigt, dass die vom AG als Sachverständige beauftragte Diplom-Psychologin (...) befangen sein könnte.
Die Besorgnis der Befangenheit einer Sachverständigen ist dann anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die Zweifel an ihrer Unparteilichkeit aufkommen lassen. Nicht erforderlich ist, dass die Sachverständige tatsächlich befangen ist, und ebenso unerheblich ist, ob sie sich für befangen hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2.12.1992, 2 BvF 2/90, FamRZ 1993, 899). Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Ausübung der Sachverständigentätigkeit zu rechtfertigen, sind Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, die Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 11.4.2013 - VII ZB 32/12 - MDR 2013, 739). In Abgrenzung dazu scheiden rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge eines Verfahrensbeteiligten als Ablehnungsgrund aus (vgl. BGH, Beschluss vom 14.3.2003 - IXa ZB 27/03 -, MDR 2003, 892). Werden mehrere Gründe für die Ablehnung geltend gemacht, so sind sie nicht jeder für sich, sondern in ihrer Gesamtheit darauf zu prüfen, ob sie den Ablehnungsantrag rechtfertigen (Zimmermann im Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 406 Rn 4).
Unter Anlegung dieses Maßstabs besteht die Besorgnis der Befangenheit. Der Senat hält das schriftliche Sachverständigengutachten für mangelhaft. Dieser Umstand allein begründet zwar noch nicht die Besorgnis der Befangenheit. Im vorliegenden Fall kommt aber hinzu, dass die Sachverständige in dem Gutachten vielfach ein zum Teil unsachliches Missfallen des Kindesvaters zum Ausdruck bringt. Außerdem zieht sie durch ihre - zu beanstandende Vorgehensweise - an Stellen des Gutachtens Schlüsse zu Lasten des Kindesvaters, an denen sie methodisch nicht gerechtfertigt sind. Dadurch konnte bei dem Kindesvater der Eindruck der Voreingenommenheit der Sachverständigen ihm gegenüber entstehen.
Die Sachverständige hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass es in der Psychologie bislang keine generalisierbaren Theorien, Methoden und standardisierte Verfahren für die Erstellung familienpsychologischer Gutachten gibt, die jedem Einzelfall vollends gerecht werden. Auch bei den "Qualitätsstandards für psychologisch-diagnostische Gutachten" aus dem Jahr 2011 handelt es sich um Empfehlungen der Expertengruppe der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, die ihrerseits noch keinen standardisierten Charakter haben und außerdem nicht auf die Besonderheiten eines familiengerichtlichen Verfahrens zugeschnitten sind. Aber auch wenn es keine verbindlichen Standards zur Aussagekraft und Zuverlässigkeit verschiedener gutachterlicher Vorgehensweisen in familiengerichtlichen Verfahren gibt, besteht weitgehend Übereinstimmung für den Aufbau und be...