Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung nach Erledigung einer Unterbringungsmaßnahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach Erledigung einer im Wege der einstweiligen Anordnung erlassenen öffentlich-rechtlichen Unterbringungsmaßnahme kann eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Betroffenen getroffen werden (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung).

2. Eine mit einer Vorsorgevollmacht verbundene Patientenverfügung, die eine stationäre psychiatrische Behandlung ausschließt, steht einer Unterbringung des Betroffenen auf der Grundlage des § 11 PsychKG NW nicht entgegen, wenn der Vorsorgebevollmächtigte den Schutz des Betroffenen bei einer erheblichen Eigengefährdung nicht gewährleisten kann.

 

Normenkette

FGG § 13a Abs. 2, § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 70h

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Beschluss vom 23.03.2006; Aktenzeichen 9 T 87/06)

AG Dortmund (Aktenzeichen 303 XIV 90. L)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 2) hatte am 1.2.2006 unter Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses vom 31.1.2006 die geschlossene Unterbringung des Betroffenen auf der Grundlage des PsychKG NW beantragt. Der Betroffene war am 31.1.2006 von der Polizei in ein psychiatrisches Krankenhaus, die Westfälische Klinik E, eingeliefert worden. Er hatte morgens gegen 11.00 Uhr in einer Gaststätte mit einer Schreckschusspistole einen Schuss abgefeuert. Auf die eintreffenden Polizeibeamten machte er einen stark alkoholisierten und verwirrten Eindruck und gab an, er habe sich die Waffe gekauft, um sich das Leben zu nehmen. Er empfinde das Leben als nicht mehr lebenswert.

Das AG hörte den Betroffenen am 1.2.2006 in Gegenwart des Arztes Herrn M persönlich an. Der Betroffene räumte ein, die Schreckschusswaffe gekauft zu haben, um sich das Leben zu nehmen. Er habe Zukunftsängste. Jetzt sei er aber nicht mehr lebensmüde. Er habe allerdings bereits früher Suizidversuche mit Tabletten unternommen, zuletzt vor 2 Jahren. Er sei in ärztlicher Behandlung. Er trinke regelmäßig 4 bis 5 Flaschen Bier, in den letzten Tagen habe er bereits morgens mit dem Trinken begonnen. Der Arzt Herr M erklärte zu Protokoll, der Betroffene sei in der Klinik bereits mit den Diagnosen einer Psychose und einer Alkoholabhängigkeit bekannt. Aktuell zeige er ein depressives klinisches Bild verbunden mit einer akuten Suizidalität und sei nur sehr eingeschränkt absprache- und steuerungsfähig.

Bereits am 31.1.2006 war beim AG als Fax ein Schreiben eines Bevollmächtigten des Betroffenen, Herrn Q aus C, eingegangen, dem eine Ablichtung der Vorsorgevollmacht und eines weiteren Schreibens an die Klinik beigefügt war. In diesem Schreiben heißt es u.a.:

"Bitte tragen Sie Sorge dafür, dass die Gesetze eingehalten werden und demzufolge, das Vormundschaftsgericht gar nicht mehr zuständig ist, da Herr I sowieso sofort freizulassen ist und das ärztliche Personals sonst für eine Freiheitsberaubung zur Rechenschaft gezogen werden müsste."

Im Schreiben an die Klinik forderte der Bevollmächtige die Ärzte auf, den Betroffenen sofort auf eine offene Station zu verlegen und ihm Medikamente nur mit seinem Einverständnis zu verabreichen.

Das AG hat durch einstweilige Anordnung vom 1.2.2006 die geschlossene Unterbringung des Betroffenen vorläufig für die Dauer von längstens 6 Wochen angeordnet. Hiergegen hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 2.2.2006 sofortige Beschwerde eingelegt. Der Betroffene wurde am 7.2.2006 aus der Klinik entlassen. Daraufhin hat das AG mit Beschluss vom 10.1.2006 die vorläufige Unterbringungsanordnung aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 17.2.2006 hat der Betroffene beantragt, die Rechtswidrigkeit der Unterbringungsanordnung vom 1.2.2006 festzustellen und seine notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Das LG hat nach Übertragung der Sache auf den Einzelrichter die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 23.3.2006 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Betroffene sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

Der Betroffene ist im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens verstorben. Sein Verfahrensbevollmächtigter hat daraufhin beantragt, nur noch über die Kosten zu entscheiden.

II. Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen war ursprünglich nach den §§ 70m, 27, 29 FGG statthaft und insb. frist- und formgerecht eingelegt. Durch das Versterben des Betroffenen nach Rechtsmitteleinlegung ist das Verfahren jedoch beendet. Gegenstand bereits der landgerichtlichen Entscheidung war nurmehr die Feststellung der Rechtswidrigkeit der durch den Aufhebungsbeschluss des AG vom 10.2.2006 beendeten Unterbringungsmaßnahme. Die Fortführung des Verfahrens mit diesem Ziel war zulässig. Denn die Bejahung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses trotz Eintritt der Erledigung der Hauptsache beruht auf dem mit der Freiheitsentziehung verbundenen tiefgreifenden Eingriff in Grundrechtspositionen des Betroffenen (vgl. BVerfG v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456; wistra 2006, 59; st. Rspr. des Senats). Das so ausgestalt...

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