Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an die Aussetzung eines markenrechtlichen Verletzungsverfahrens.
Normenkette
MarkenG § 14 Abs. 5, § 55; ZPO § 148 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 1 O 159/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der am 11.12.2020 verkündete Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 09.12.2020 aufgehoben.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagten u.a. markenrechtliche Unterlassungsansprüche geltend. Er stützt diese Ansprüche ausweislich der Angaben in seinem Schriftsatz vom 10.05.2019 vorrangig auf die deutsche Wortmarke "PO" (Registernummer XXX), hilfsweise auf die deutsche Wortmarke "Po" (Registernummer YYY) und äußerst hilfsweise auf die Unionswortmarke "PO" (EUIPO-Aktenzeichen AAA). Die Beklagten berufen sich zur Rechtsverteidigung u.a. auf eine angeblich von dem oder den Inhabern der deutschen Wortmarke "Po" (Registernummer ZZZ) erteilte Lizenz.
Der Kläger hat vor dem Landgericht Braunschweig zum dortigen Aktenzeichen 22 O 2622/19 eine Klage auf Erklärung des Verfalls bzw. der Nichtigkeit der deutschen Wortmarke "Po" (Registernummer ZZZ) gegen die (früheren) Inhaber dieser Marke erhoben. Dieses Verfahren ist - soweit ersichtlich - bislang nicht rechtskräftig abgeschlossen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht, gestützt auf § 148 Abs. 1 ZPO, die Verhandlung im vorliegenden Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vor dem Landgericht Braunschweig ausgesetzt. Gegen diese Aussetzungsentscheidung wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde.
II. Die nach § 252 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Die Aussetzungsentscheidung des Landgerichts hält einer Überprüfung durch das Beschwerdegericht nicht stand.
Das Beschwerdegericht ist in Fällen wie dem vorliegenden auf die Prüfung, ob ein Aussetzungsgrund vorliegt, und auf die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung auf Ermessensfehler beschränkt (vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.2005 - II ZB 30/04 -, juris, Rdnr. 6). Es kann dahinstehen, ob das Verfahren vor dem Landgericht Braunschweig für den vorliegenden Rechtsstreit überhaupt im Sinne des § 148 Abs. 1 ZPO vorgreiflich (vgl. hierzu BGH, a.a.O., Rdnr. 8) ist. Die Entscheidung des Landgerichts ist jedenfalls ermessensfehlerhaft getroffen worden. Ist - wie im vorliegenden Falle - über die Aussetzung eines markenrechtlichen Verletzungsverfahrens zu entscheiden, sind das Interesse des Klägers des Verletzungsverfahrens an einer zeitnahen Entscheidung, das Interesse des Beklagten, nicht im Widerspruch zu der Entscheidung in dem vorgreiflichen Verfahren verurteilt zu werden, und das allgemeine Interesse, widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden, gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.2014 - I ZR 228/12 - [Gelbe Wörterbücher], juris, Rdnr. 17). Eine diesen Anforderungen genügende Ermessensausübung lässt die angefochtene Entscheidung (auch in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses) vermissen. Eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem angesichts der aufgrund der Dauer des vorliegenden Rechtsstreits drohenden Verwässerung und Schwächung der Klagemarken auf der Hand liegenden Interesse des Klägers an einer zeitnahen Entscheidung über die von ihm geltend gemachten Ansprüche ist nicht erkennbar. Das Landgericht hat sich auch nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, dass seine Aussetzungsentscheidung zu dem jedenfalls auf den ersten Blick kaum überzeugenden Ergebnis führt, dass sich die vom Kläger vor dem Landgericht Braunschweig zum Schutz seiner Markenrechte erhobene Klage im hiesigen Verletzungsverfahren zu seinem Nachteil auswirkt. Das Landgericht hat schließlich nicht ermittelt, ob die Beklagten überhaupt ein schutzwürdiges Interesse an der Aussetzung der Verhandlung im vorliegenden Rechtsstreit haben. Ein derartiges schutzwürdiges Interesse ist im Übrigen auch nicht erkennbar, denn durch die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig kann sich die materiell-rechtliche Position der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit nicht verbessern, sondern allenfalls verschlechtern. Die Beklagten haben mithin im vorliegenden Rechtsstreit allenfalls ein - nicht schutzwürdiges - Verzögerungsinteresse. Letztlich hat das Landgericht seine Aussetzungsentscheidung allein auf den Gesichtspunkt der Prozessökonomie und das allgemeine Interesse an der Vermeidung divergierender Entscheidungen gestützt. Dies reicht indes für eine ermessensfehlerfreie Abwägung nicht aus.
III. Eine Entscheidung des Senats über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.2005 - II ZB 30/04 -, juris, Rdnr. 12).
Fundstellen
Haufe-Index 14449468 |
WRP 2021, 805 |