Leitsatz (amtlich)
Von der Anordnung eines Fahrverbotes kann gem. § 4 Abs. 4 BKatV in Einzelfällen abgesehen werden, in denen der Sachverhalt zu Gunsten des Betroffenen so erhebliche Abweichungen vom Normalfall aufweist, dass die Annahme eines Ausnahmefalles gerechtfertigt ist und die Verhängung des Fahrverbotes trotz der groben bzw. beharrlichen Pflichtverletzung unangemessen wäre. Derartige Umstände müssen den Feststellungen jedoch zu entnehmen sein.
Verfahrensgang
AG Schwerte (Entscheidung vom 25.08.2004) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Schwerte zurückverwiesen.
Gründe
Der Landrat des Kreises Unna hat mit Bußgeldbescheid vom 28. November 2003 gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 30 km ein Bußgeld in Höhe von 65,00 EUR sowie ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats mit der Maßgabe nach § 25 Abs. 2 a StVG festgesetzt, weil der Betroffene am 14. Oktober 2003 um 10.07 Uhr in Schwerte-Villigst, Rote-Haus-Straße, Fahrtrichtung Schwerte, mit dem PKW XXXXXXXXX die auf 70 km begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um zurechenbare 30 km überschritten hatte.
Auf den hiergegen rechtzeitig eingelegten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht ihn durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 100,00 EUR verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat es abgesehen.
Zur Sache entsprechen die Feststellungen des angefochtenen Urteils denen des Bußgeldbescheides. Der Betroffene, der von Beruf angestellter Taxifahrer ist und drei Kinder in der Ausbildung hat, hat den Verkehrsverstoß zugestanden und ergänzend erklärt, er habe sich mit seinem Taxi auf der Rückfahrt nach Essen befunden, nach dem er zuvor einen Fahrgast nach Iserlohn befördert hatte.
Das Amtsgericht hat ferner festgestellt, dass der Betroffene 3 mal verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist, davon 2 mal wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Zur letzten der im Urteil festgestellten Voreintragungenist insoweit jedoch lediglich mitgeteilt worden, dass der Betroffene durch Bußgeldbescheid der Stadt Gelsenkirchen vom 08. Oktober 2002 wegen Überschreitung der zulässigen . Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 60,00 EUR verurteilt worden ist.
Das Absehen von der Verhängung des noch im Bußgeldbescheid gem. § 4 Abs. 2 BKatV festgesetzten einmonatigen Regelfahrverbotes hat das Amtsgericht wie folgt begründet:
"Trotz der einschlägigen Vorbelastungen, die allerdings auch schon einige Zeit zurücklagen, erschien es geboten, unter Erhöhung der Regelbuße vom Regelfahrverbot abzusehen. Der Betroffene ist, was sich ohne weiteres aus seiner Berufstätigkeit ergibt, dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Er ist Vielfahrer. Es handelt sich bei der Rote-Haus-Straße um eine völlig freie, gut ausgebaute Strecke. Einmündungen von Nebenstraßen sind gut sichtbar. Für Ortsfremde besteht eine "Benachteiligung" insoweit, als sich der Starenkasten direkt hinter einer Eisenbahnunterführung befindet und erst im letzten Moment sichtbar ist.
Es wäre in der Gesamtschau unvertretbar, dem Betroffenen für einen relativ geringfügigen Verstoß ein einmonatiges Fahrverbot aufzuerlegen. Vielmehr war nach § 4 Abs. 4 BKatV zu verfahren."
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und mit der Sachrüge begründete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die in zulässiger Weise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist und der die Generalstaatsanwaltschaft mit ergänzenden Ausführungen beigetreten ist.
Das Rechtsmittel ist auch begründet. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs. Die Erwägungen, auf Grund derer das Amtsgericht von der Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots abgesehen hat, halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalles der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGHSt 38, 125 ff. = NZV 1992, 286 ff.). Diesem ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist. Der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist vielmehr durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesonde...