Normenkette
ZPO § 117 Abs. 2 S. 2, § 127 Abs. 2; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; BGB § 1361 Abs. 4 S. 4, §§ 1580, 1605 Abs. 1 S. 1; GG Art. 2 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Eisleben (Beschluss vom 22.05.2013; Aktenzeichen 3 F 191/13 VKH1) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Eisleben vom 22.5.2013 (Az. 3 F 191/13 VKH1) abgeändert:
Der Antrag des Antragsgegners, die Erklärung der Antragstellerin im amtlichen Vordruck nebst Belegen zu übermitteln, wird abgelehnt.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I. Die Antragstellerin beantragte im Rahmen eines Zugewinnausgleichsverfahrens zur Rechtsverfolgung die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und reichte den amtlichen Vordruck nebst Belegen zur Akte. Unter dem 25.4.2013 beantragte der Antragsgegner, ihm die Erklärung im amtlichen Vordruck nebst Belegen zugänglich zu machen.
Mit "Beschluss" (einschließlich Rechtsmittelbelehrung) vom 22.5.2013 (Bl. 80 d.A.), zugestellt am 28.5.2013, hat das AG - Familiengericht - Eisleben dem Antrag des Antragsgegners auf Einsichtnahme in die VKH-Unterlagen der Antragstellerin stattgegeben.
Dagegen richtet sich die am 28.6.2013 erhobene "Beschwerde" der Antragstellerin. Sie ist der Ansicht, dass die Einsichtnahme in die VKH-Unterlagen unzulässig sei, weil der Antragsgegner keinen Auskunftsanspruch mehr habe. Ein allgemeiner Auskunftsanspruch genüge nicht. Zudem könnten ohne ihre Zustimmung die Unterlagen nicht zugänglich gemacht werden.
Das AG hat der "Beschwerde" nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.1. Das als sofortige Beschwerde auszulegende Rechtsmittel der Antragstellerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist nicht bereits unzulässig, § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO.
Zwar enthält die ZPO keine Anfechtungsmöglichkeit gegen die Übermittlung der Erklärung und der Belege im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens. § 127 Abs. 2 ZPO eröffnet lediglich die Anfechtung der Entscheidung über die Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe, nicht jedoch die Anfechtung der im Rahmen dieses Verfahrens getroffenen Zwischenverfügungen. Nichts anderes stellt jedoch die formlose Übermittlung der Erklärung nebst Belegen an den Gegner i.S.v. § 117 Abs. 2 Satz 2 bis 4 ZPO dar. Unschädlich ist dabei auch, dass das AG im Wege eines Beschlusses über die Weitergabe der Unterlagen entschieden hat.
Andererseits muss vorliegend die Anfechtung der Weitergabe der Unterlagen nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO wegen der damit verbundenen Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Antragstellerin (Art. 2 Abs. 1 GG) eröffnet sein, so dass auch für die Frage des Einsichtsrechts des Gegners das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 127 Abs. 2 ZPO gegeben sein muss (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 1.9.2010 - 9 WF 222/10 -, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 4.11.2010-7 WF 872/10 -, juris).
2. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Zur Einsichtnahme in die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die Belege bedarf es gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO dann nicht der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen, wenn der Gegner gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat (vgl. auch OLG Brandenburg, a.a.O.).
Zweck dieser Regelung ist dabei nicht die umfassende Information des Gegners in familienrechtlichen Auseinandersetzungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers. Vielmehr erhofft sich der Gesetzgeber durch die Information der Gegenseite eine größere Gewähr der Richtigkeit der Angaben zu den wirtschaftlichen Voraussetzungen (§§ 115, 117 Abs. 2 ZPO), indem der Gegner diese kontrolliert (vgl. Schürmann in: Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, 11. Kapitel Verfahrenskostenhilfe, Rz. 17). Denn wenn der Gegner auf die Kenntnis der Angaben, die Gegenstand der Erklärung des Antragstellers sind, ohnehin einen zivilrechtlichen Anspruch hat, erscheint es verfahrensökonomisch, den Gegner sogleich in das Verfahren einzubeziehen, um etwaige Unrichtigkeiten so früh wie möglich korrigieren zu können (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/6308, 325).
Bei Bestehen eines Auskunftsanspruchs (nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1580 oder 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB) können mithin die Beteiligten gegenseitig jederzeit Auskunft verlangen. Dann ist aber auch anzunehmen, dass im Ergebnis kein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung oder gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen gegeben ist (OLG Koblenz, a.a.O.).
Dabei muss nach dem Wortlaut des Gesetzes der bürgerlich-rechtliche Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen auch nicht Verfahrensgegenstand sein. Allerdi...