Verfahrensgang

AG Essen (Aktenzeichen 106 F 330/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Kindesvaters vom 27.09.2017 den am 01.09.2017 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht- Essen aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Essen zurückverwiesen.

Dieses entscheidet auch über die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Antragsteller und Antragsgegnerin sind die Eltern des am 28.07.2015 geborenen M.

Der Antragsteller, nach dessen Angaben die Kindeseltern bis zur Geburt des gemeinsamen Sohnes etwa 15 Jahre lang eine Beziehung unterhielten, hat die Vaterschaft anerkannt und begehrt im vorliegenden Verfahren die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts.

Die Antragsgegnerin ist dem entgegen getreten. Eine gemeinsame Sorge entspreche nicht dem Kindeswohl. Da der Antragsteller sie immer wieder tätlich angegriffen, herabgewürdigt und schikaniert habe, bestehe keine tragfähige soziale Beziehung zwischen ihnen.

Das Amtsgericht hat - nach Anhörung der Kindeseltern und des Jugendamtes - durch Beschluss vom 01.09.2017 den Sorgerechtsantrag des Antragstellers zurückgewiesen.

Nach dem anlässlich der Anhörung gewonnenen persönlichen Eindruck bestehe tatsächlich eine schwerwiegende und nachhaltige Störung der Kommunikationsfähigkeit und - willigkeit, die dem Kindeswohl nicht zuträglich sei. Beide Eltern hätten ihre wechselseitigen Vorwürfe wiederholt und vertieft. Der Antragsteller habe zudem durch seine Forderungen nach umfassender Information ein geringes Einfühlungsvermögen gezeigt. Vor diesem Hintergrund komme eine Begründung der gemeinsamen Sorge nicht in Betracht.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er u.a. moniert, dass Amtsgericht habe verfahrensfehlerhaft von der Bestellung eines Verfahrensbeistandes für seinen Sohn abgesehen.

Ungeachtet dessen sei weder ersichtlich noch festgestellt, dass die Kindeseltern in den Sorgerechtsangelegenheiten von erheblicher Bedeutung für M keine Übereinstimmung erzielen könnten. Insoweit dürfe nicht übersehen werden, dass die Kindeseltern eine Umgangsvereinbarung getroffen hätten, die auch praktiziert werde. Darüber hinaus stelle der Antragsteller auch den Aufenthalt von M bei der Kindesmutter nicht in Abrede.

II. Die gemäß §§ 58 ff FamFG statthafte und zulässige Beschwerde hat zumindest vorläufig Erfolg; das Rechtsmittel des Antragstellers führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht.

Völlig zu Recht moniert der Antragsteller, dass das erstinstanzlich mit seinem Antrag nach § 1626 a BGB befasste Familiengericht für seinen Sohn keinen Verfahrensbeistand bestellt und damit letztlich auch gegen die Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung entscheidungserheblicher Tatsachen (§ 26 FamFG) verstoßen hat.

Da die Eltern vorliegend gegensätzliche Auffassungen zu der Frage vertreten, ob und inwieweit eine gemeinsame elterliche Sorge begründet werden kann, steht das Interesse des Kindes in erheblichem Gegensatz zu demjenigen seiner gesetzlichen Vertreterin, hier der Kindesmutter, die sich gegen die gemeinsame elterliche Sorge ausspricht. Bei diesem Sachstand liegen die Voraussetzungen des § 158 Abs. 2 Ziff. 1 FamFG für die Bestellung eines Verfahrensbeistandes vor.

Vorliegend kommt nach Ansicht des Senats der Bestellung eines Verfahrensbeistandes besonderes Gewicht zu, da zum einen das betroffene Kind altersbedingt seinen Willen und seine Interessen noch nicht selbst artikulieren kann und zum anderen aufgrund des gänzlich widerstreitenden Sachvortrags der Beteiligten eine neutrale und objektive Prüfung der Verhältnisse als weitere Erkenntnisquelle besonders angezeigt erscheint. Allein auf das Verhalten der Kindeseltern anlässlich ihrer persönlichen Anhörung abzustellen, scheint insoweit - angesichts der mit jedem Gerichtsverfahren in Kindschaftssachen insbesondere für die Eltern verbundenen hohen Emotionalität und Anspannung - nicht ausreichend (vgl. OLG Stuttgart, NJW 2015, 642). Nicht zuletzt kommt hinzu, dass auch das Jugendamt ein gemeinsames Sorgerecht für denkbar erachtet hat.

Nachdem das Unterlassen der Bestellung eines Verfahrensbeistandes im angefochtenen Beschluss weder erwähnt noch begründet worden ist, bedeutet dieser Verfahrensfehler, dass das Amtsgericht ohne einen hinzuzuziehenden Beteiligten iSd § 7 FamFG entschieden und damit noch gar keine Sachentscheidung getroffen hat (vgl. Keidel-Sternal, 18. Aufl. 2014, § 69 Rn. 14; OLG Brandenburg, FamRB 2012, 343 f; OLG Rostock, FamRZ 2014, 2020).

Der Senat ist in dieser Situation befugt, auch ohne entsprechenden Antrag eines Verfahrensbeteiligten unter Aufhebung der ergangenen Entscheidung die Sache zur erneuten Befassung der Eingangsinstanz nach § 69 FamFG zurück zu verweisen. Zudem haben beide Kindeseltern mit dieser Verfahrensweise ...

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