Leitsatz (amtlich)
Eine Zurückverweisung auf der Grundlage des § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG setzt keinen Antrag voraus und kommt auch dann in Betracht, wenn das Familiengericht in einer Sorgerechtssache, bei der durch den antragstellenden Vater die Einrichtung gemeinsamer elterlicher Sorge erstrebt wird, zwar formal im sogenannten Normalverfahren entschieden, dort aber inhaltlich unter - unzutreffendem - Verweis auf § 1626a Abs. 2 BGB keine bzw. nur eine eingeschränkte Kindeswohlprüfung vorgenommen hat.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin werden der Beschluss des Amtsgerichts Wismar - Familiengericht - vom 24.04.2024, Az.: 29 F 777/23, und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben und wird die Sache an das Amtsgericht Wismar - Familiengericht - zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen wird dem Amtsgericht Wismar - Familiengericht - die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
4. Der Antragsgegnerin wird für den Beschwerderechtszug ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... aus ... als Verfahrensbevollmächtigter zu den Bedingungen eines in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts bewilligt.
Gründe
I. Die Kindeseltern streiten im vorliegenden Verfahren um das Sorgerecht für ihr Kind ..., geboren am .... Sie sind und waren nicht miteinander verheiratet und trennten sich im Juni 2022. Der Antragsteller hat die Vaterschaft des Kindes am ... anerkannt. Er erstrebt in vorliegender Sache die Einrichtung gemeinsamer elterlicher Sorge.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich behauptet, konkrete Meinungsverschiedenheiten, die das Kind betreffen würden, beständen nicht. Eine tragfähige Basis für die gemeinsame elterliche Sorge bestehe, die Blockadehaltung der Antragsgegnerin in Bezug auf seinen Umgang werde sich durch eine praktizierte gemeinsame Sorge auflösen. Durch dieses Blockadeverhalten würden die eingeschränkte Erziehungsfähigkeit der Antragsgegnerin und deren fehlende Bindungstoleranz deutlich. Demgegenüber zeige er - der Antragsteller - sich durchweg kooperativ und suche den Dialog. Ihm sei an der gemeinsamen elterlichen Sorge gelegen, da die Kindesmutter bisher keinerlei Informationen an ihn weitergegeben habe. Ihm gehe es darum, ein eigenes Informationsrecht zu haben und an der Entwicklung des Kindes aktiv teilnehmen zu können.
Er hat erstinstanzlich beantragt, für das Kind ... die von ihm und der Antragsgegnerin gemeinsam auszuübende elterliche Sorge anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hatte zunächst schriftsätzlich angekündigt, die Zurückweisung des Antrags zu beantragen, dann dem Antrag im Erörterungstermin vor dem Amtsgericht am 23.04.2024 aber - durch ihre Verfahrensbevollmächtigte - zugestimmt. Auf den Vermerk über den genannten Termin wird Bezug genommen, insbesondere auf dessen Seite 3.
Die Antragsgegnerin hat behauptet, in der Beziehung der Kindeseltern habe Gewalt des Antragstellers ein zunehmend unlösbares Problem dargestellt. Gegenüber ihrem Sohn ... sei der Antragsteller gewalttätig aufgetreten, wie sie anhand dreier Vorfälle näher schildert. Sie sei häufig von dem Antragsteller bedroht worden. Er habe ihr Gewalt für den Fall angedroht, dass sie sich wegen der Vorfälle gegenüber dem Sohn ... an die Polizei wende.
Das Amtsgericht hat dem Kind eine Verfahrensbeiständin bestellt und zwei Anhörungs- und Erörterungstermine - am 13.02.2024 und am 23.04.2024 - durchgeführt. Die Verfahrensbeiständin sowie das Jugendamt haben die Übertragung des Sorgerechts auf die Eltern gemeinsam befürwortet.
Das Amtsgericht hat mit dem hier beschwerdegegenständlichen Beschluss vom 24.04.2024, der der Antragsgegnerin am 26.04.2024 zugestellt wurde, die elterliche Sorge für das Kind ... auf beide Elternteile übertragen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass aufgrund der Zustimmung der Kindesmutter vermutet werde, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspreche.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 29.04.2024, eingegangen beim Amtsgericht am 30.04.2024, Beschwerde eingelegt und sinngemäß die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt. In der Beschwerdebegründung hat sie ausgeführt, dass sie ihre Zustimmung widerrufe. Ihre damalige Verfahrensbevollmächtigte habe sie nicht hinreichend über die Folgen ihrer Erklärung aufgeklärt. Wegen der vorgetragenen Gründe, die nach Ansicht der Antragsgegnerin der gemeinsamen elterlichen Sorgen entgegenstehen würden, wird auf die Schriftsätze vom 29.04.2024 und 24.06.2024 Bezug genommen.
Der Antragsteller, der sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt und die Zurückweisung der Beschwerde beantragt, vertritt im Beschwerdeverfahren die Auffassung, im Erörterungstermin vor dem Amtsgericht am 23.04.2024 seien durch die Kindeseltern Sorgeerklärungen abgegeben worden, weshalb der Be...