Leitsatz (amtlich)
1. Dem nicht sorgeberechtigten Kindesvater steht gegen einen Beschluss, durch welchen der Kindesmutter Teilbereiche der elterlichen Sorge entzogen worden sind, die Beschwerdebefugnis zu, weil er nach § 1680 BGB gegebenenfalls sorgeberechtigt werden kann.
2. Eine bestehende Heroinabhängigkeit der Kindesmutter begründet jedenfalls dann nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände den Entzug der elterlichen Sorge, wenn sich die Kindesmutter bereits seit Jahren im Methadon-Programm befindet und das Kind in der Vergangenheit im mütterlichen Haushalt gut versorgt worden ist.
Normenkette
FamFG § 59 Abs. 1; BGB §§ 1666, 1680
Verfahrensgang
AG Gladbeck (Beschluss vom 17.10.2012; Aktenzeichen 20 F 94/12) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin und des Kindesvaters wird der am 17.10.2012 verkündete Beschluss des AG - Familiengericht - Gladbeck im Ausspruch zur teilweisen Entziehung des Sorgerechts für den am 15.7.2008 geborenen X abgeändert.
Der Antrag des antragstellenden Jugendamtes der Stadt H, der Antragsgegnerin das Personensorgerecht für den am 15.7.2008 geborenen X zu entziehen, wird insgesamt zurückgewiesen.
Im Übrigen verbleibt es bei der Entscheidung des AG.
Gerichtskosten werden für beide Instanzen nicht erhoben.
Seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die am 15.5.1967 geborene Antragsgegnerin ist die leibliche Mutter der Geschwister W, geboren am 22.10.2000, und X, geboren am 15.7.2008. Der am 6.3.1973 geborene Antragsgegner ist der leibliche Vater der beiden Geschwister und bereits seit zwanzig Jahren drogenabhängig. Die Antragsgegnerin war ursprünglich alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge für die beiden Geschwister. Sie hat noch drei weitere volljährige Kinder, Frau I, Herr S und die Halbschwester der beiden Kinder I3, geboren am 9.3.1994; deren Vater ist Herr I2. I3 lebt derzeit in einer eigenen Wohnung in H und wird vom Wohnverbund ... sozialpädagogisch begleitet.
Im Januar 2002 wurde im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens für die Antragsgegnerin, den Kindesvater und die Kinder eine sozialpädagogische Familienhilfe angeordnet und eingerichtet. W war zu diesem Zeitpunkt bereits stark übergewichtig. Im Fokus der pädagogischen Arbeit stand die Heroinabhängigkeit der Antragsgegnerin und des Kindesvaters. Die Antragsgegnerin nahm in der Zeit von Mai bis Dezember 2002 an einer stationären Drogentherapie teil. Im August 2005 wurde die ambulante Jugendhilfemaßnahme zunächst eingestellt. Im Jahr 2009 erlangte das Jugendamt der Stadt H von einem vermeintlichen Drogenmissbrauch der Antragsgegnerin Kenntnis. In der Folgezeit nahm die Antragsgegnerin nach Gesprächen mit dem Jugendamt der Stadt H an einem Methadon-Programm teil. Nach der Geburt des Kindes X bekam die Antragsgegnerin eine Familienhebamme, Frau T, als Unterstützung. Trotz dieser Hilfe meldeten am 14.9.2010 zwei der volljährigen Kinder der Antragsgegnerin, Frau I und Herr S, dem Jugendamt der Stadt H, dass die Antragsgegnerin und der Kindesvater vor den minderjährigen Kindern Heroin konsumierten. In der Folgezeit wurde für die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 5.11.2010 ein Betreuer mit den Aufgabenkreisen der Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und Vertretung in Rechts- und Behördenangelegenheiten bestellt. Wegen unkooperativen Verhaltens der Antragsgegnerin wurde die Betreuung mit Beschluss vom 29.4.2011 aufgehoben.
Im Oktober 2011 meldete die Familienhebamme, dass sich die Antragsgegnerin in schlechter Verfassung befinde und den Eindruck erwecke, Drogen zu konsumieren. Dem Vorschlag, ein Treppenkindergitter für die steile, ungesicherte Wendeltreppe zu installieren, sei die Antragsgegnerin nicht nachgekommen. Im Dezember 2011 bat die Familienhebamme das Jugendamt der Stadt H um ein Hilfeplangespräch und führte aus, dass der Zustand der Antragsgegnerin zunehmend dekompensiere. Am 21.12.2011 erklärte die Antragsgegnerin gegenüber dem Jugendamt der Stadt H, einen erneuten stationären Drogenentzug absolvieren zu wollen. Zum 18.1.2012 wurde die Hebammenhilfe eingestellt und durch eine ambulante Jugendhilfemaßnahme ersetzt. Am 2.2.2012 wurde die Antragsgegnerin in die Entzugsklinik begleitet, nachdem mit allen Beteiligten vereinbart wurde, dass der Antragsgegner, dessen Bruder und Schwägerin die Versorgung der Kinder während des Klinikaufenthaltes sicherstellen sollten. Die Tochter I3 meldete in der Folgezeit, dass der Kindesvater tagsüber nicht zu Hause und die Kinder dementsprechend alleine gewesen seien. Die Kindergärtnerin des Kindes X teilte mit, dass der Kindesvater hinsichtlich der Bring- und Abholzeiten unzuverlässig sei und X wieder einnässe; das Essensgeld sei überdies seit zwei Monaten nicht gezahlt worden. Die Antragsgegnerin brach den Klinikaufenthalt in der Folgezeit ab.
Das Jugendamt der Stadt H nahm die Geschwister W und X sowie deren Halbschwester I3 unter dem 27.2.2012 in Obhut und brachte W und X in Bereitsc...