Entscheidungsstichwort (Thema)
Übersetzung / Übertragung TKÜ. Audioaufzeichnungen
Leitsatz (amtlich)
Obgleich eine anhand von Audioaufzeichnungen zu fertigende schriftliche Übertragung des Wortlauts überwachter Telefonate in eine andere (hier: die deutsche) Sprache in der Regel als Übersetzungsleistung nach § 11 Abs. 1 JVEG zu vergüten ist, kann wegen Besonderheiten im Einzelfall - wie vorliegend wegen eines das übliche Maß übersteigenden Aufwandes für die Vorbereitung der schriftlichen Übersetzung - eine analoge Anwendung des § 11 Abs. 3 JVEG geboten sein.
Normenkette
JVEG § 9 Abs. 3, § 11 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 8 KLs 15/11) |
Tenor
Das Verfahren wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auf den Senat übertragen (Alleinentscheidung der mitunterzeichnenden Einzelrichterin).
Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Vorsitzende der 8. Strafkammer des Landgericht Münster beauftragte die Antrags- und Beschwerdegegnerin im vorliegenden Strafverfahren mit Schreiben vom 09. Januar 2014 "Wortprotokolle von Telefonaten" zu fertigen, die genau bezeichnet und aufgelistet waren. Der Antragsgegnerin wurde dazu eine CD übersandt, auf der u.a. die aufgezeichneten Telefonate gespeichert waren. Mit Verfügung vom 04. Juli 2014 wurde sie darüber hinaus beauftragt, zu drei weiteren solcher Gespräche "Wortprotokolle zu erstellen".
Die Antragsgegnerin fertigte sodann schriftliche Übersetzungen für diese im Rahmen einer erfolgten Telekommunikationsüberwachung aufgenommenen Audioaufzeichnungen von der russischen in die deutsche Sprache. Sie hat geltend gemacht, dass die Bearbeitung im vorliegenden Fall sowohl aufgrund des Inhalts als auch aufgrund der Qualität des Ausgangstextes deutlich erschwert gewesen sei. Es sei zwar eine Korrigierbarkeit gegeben gewesen, jedoch habe die Ausgangssituation nicht dem Standardfall entsprochen.
Die Audioaufzeichnungen waren teils von schlechter Qualität, teils bedienten sich die Sprechenden konspirativer Sprache. An zahlreichen Stellen waren Hintergrundgeräusche bzw. Gesprächsfetzen zu hören und auch zu übersetzen. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Antragsgegnerin lag der Schwerpunkt der Arbeit auf der Überprüfung und geistigen Aufnahme (akustische Aufnahme und gedankliche Verarbeitung) der Aufzeichnungen. Insbesondere konnte der Text erst durch mehrfaches zeitaufwändiges Anhören der Audioaufzeichnungen, was eine besonders hohe Konzentration erfordert, erschlossen werden. Erst auf diese Weise konnte nach Angaben der Antragsgegnerin eine einwandfreie wörtliche Verschriftlichung und somit fehlerfreie Übersetzung angefertigt werden. Pro Minute Ausgangsmaterial hat die Übertragung durchschnittlich 45 Minuten gedauert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Antragsgegnerin in ihren Schreiben vom 13. Februar 2017 (Bl. 897 ff. d.A.) und vom 06. Mai 2017 (Bl. 933 ff. d.A.) verwiesen.
Die Antragsgegnerin rechnete sukzessive ab und zwar - jeweils nach Maßgabe von § 9 JVEG als Dolmetscherin - insgesamt einen Arbeitsaufwand von 937 Stunden zu je 70,00 €. Der abgerechnete Betrag beläuft sich auf insgesamt 65.590,00 € netto bzw. 78.052,10 € brutto. Hinsichtlich der einzelnen Abrechnungen wird auf die Tabelle im angefochtenen Beschluss (dort S. 2) Bezug genommen. Den Rechnungen liegt die Übertragung von insgesamt 1.254,36 Gesprächsminuten zu Grunde, die in insgesamt 1.580.637 Anschläge überführt wurden.
Die Antragstellerin ist dieser Abrechnung mit der eingehend begründeten Auffassung entgegen getreten, dass die Vergütung für die Übersetzungsleistung nach Maßgabe von § 11 Abs. 1 JVEG für Übersetzungen zu erfolgen habe, und zwar bei einem erhöhten Honorar von 2,05 € je begonnene 55 Anschläge (d.h. 58.914,95 € netto / 70.108,79 € brutto). Entsprechend hat die Antragstellerin die gerichtliche Festsetzung der Vergütung nach § 4 JVEG auf nicht mehr als 70.111,69 € (= 70.108,79 € + 2,90 € Portokosten) beantragt.
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 02. August 2017 die Vergütung der Antragsgegnerin auf 78.052,10 € festgesetzt und den Festsetzungsantrag zurückgewiesen, soweit die Antragstellerin die Festsetzung der Vergütung auf nicht mehr als 70.111,69 € beantragt hat. Die Entscheidung ist wie folgt begründet worden:
"1. Die Antragstellerin hat die Abgrenzung zwischen der Tätigkeit als Dolmetscher (zu vergüten nach § 9 III JVEG), als Übersetzer (§ 11 JVEG) und als Sprachsachverständiger (zu vergüten nach § 9 I JVEG) zutreffend vorgenommen (siehe hierzu mwN.: Binz/Dörndorfer, GKG, FamGKG, JVEG 3. Aufl. 2014, § 9 JVEG Rn. 23). Zutreffend ist auch, dass die Tätigkeit der Antragsgegnerin - jedenfalls im Wesentlichen - als Übersetzungsleistung anzusehen ist.
2. Nach Auffassung der Kammer muss jedoch bei der schriftlichen Übertragung von Audioaufzeichnungen § 11 III JVEG in Ansatz gebracht werden, demzufolge auch der Übersetzer wie ein Dolmetscher zu vergüten ist...