Leitsatz (amtlich)
Die öffentliche Zustellung ist nur als "ultima ratio" zulässig.
Verfahrensgang
LG Essen (Entscheidung vom 27.01.2005) |
AG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 30.07.2004) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit der Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen worden ist.
Dem Verurteilten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zu Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 30.07.2004 gewährt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu der sofortigen Beschwerde wie folgt Stellung genommen:
Die Strafvollstreckung gegen den Verurteilten beruht auf dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 28.03.2001 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten.
Nachdem durch Strafvollstreckung bzw. Anrechnung einer früheren Therapiezeit bereits zwei Drittel der erkannten Strafe verbüßt waren, hat die Staatsanwaltschaft Essen die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe am 18.07.2003 gem. § 35 BtMG zurückgestellt. Der Verurteilte hat die Therapie absolviert, die sich anschließende Adaptionsbehandlung jedoch am 21.01.2004 abgebrochen. Daraufhin hat das Amtsgericht Gelsenkirchen am 30.07.2004 - nach Anhörung der Therapieeinrichtung, jedoch ohne Anhörung des Verurteilten - beschlossen, dass die Reststrafe nicht gem. § 36 BtMG zur Bewährung ausgesetzt werde. Zugleich hat es die öffentliche Zustellung des Beschlusses angeordnet (Bd. II BI. 190, Leseabschrift BI. 191 VH).
Aufgrund Vollstreckungshaftbefehls der Staatsanwaltschaft Essen wurde der Verurteilte am 29.11.2004 festgenommen und befindet sich seitdem in dieser Sache in Strafhaft, zurzeit in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen.
Mit Schreiben vom 01. 11.2004 wandte sich der Verurteilte in einem Parallelverfahren, in dem ebenfalls nach vorheriger Zurückstellung der Strafvollstreckung nunmehr ein Vollstreckungshaftbefehl gegen ihn bestand, gegen seiner Verhaftung (Bd. II BI. 210 f VH). Mit Schriftsatz vom 23.11.2004 hat sein Verteidiger klargestellt, dass sich diese Beschwerde auch auf das vorliegende Verfahren beziehe (Bd. II BI. 227 d.A.). Das Landgericht Essen hat - nach Anhörung des Verurteilten - am 27.01.2005 die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Amtsgerichts "Gelsenkirchen-Buer" (richtig: Gelsenkirchen) vom 30.07.2004 sowie den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen (Bd. III BI. 262 ff VH). Gegen diesen, dem Verteidiger des Verurteilten am 08.02.2005 zugestellten (Bd. III BI. 287 VH) Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 09.02.2005, die am 10.02.2005 bei dem Landgericht Essen eingegangen ist (Bd. III BI. 289 f VH).
Der sofortigen Beschwerde ist ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen.
Der öffentlichen Zustellung des Beschlusses des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 30.07.2004 hätte es nicht bedurft; sie war daher nicht als "ultima ratio" zulässig. Es war aktenkundig, dass auch die Staatsanwaltschaft Dortmund zeitgleich die Vollstreckung einer weiteren Strafe gem. § 35 BtMG zurückgestellt hatte. Eine Anfrage an jenes Verfahren, wo sich der Verurteilte aufhalte, wäre naheliegend und erforderlich gewesen. Diese Anfrage hätte auch zum Erfolg geführt, da in jenem Verfahren am 07.05.2004 die Reststrafe gem. § 36 BtMG zur Bewährung ausgesetzt worden war (BI. 213 ff VH) und dem Bewährungshelfer der Aufenthalt des Verurteilten bekannt war.
Im übrigen hatte sich Rechtsanwalt L. bereits am 07.07.2003 anlässlich des Antrages auf Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG als Wahlverteidiger für das Vollstreckungsverfahren gemeldet. Auch bei ihm hätte der Aufenthalt der Verurteilten erfragt werden können. Die Zustellung des Beschlusses vom 30.07.2004 wäre im Übrigen ohnehin an den Verteidiger zu bewirken gewesen; seine (Zustellungs-) Vollmacht befand sich bei den Akten (Bd. I BI. 118 VH).
Da die öffentliche Zustellung des Beschlusses des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 30.07,2004 unzulässig war, konnte sie die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht wirksam in Gang setzen. Einer Wiedereinsetzung des Verurteilten in die Beschwerdefrist hätte es somit nicht bedurft. Der nunmehr zur Überprüfung stehende Beschluss des Landgerichts Essen vom 27.01.2005, mit dem eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt worden ist, ist daher gegenstandslos. Das Landgericht Essen wird daher über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gelsenkirchen erneut zu entscheiden haben, falls nicht das Amtsgericht Gelsenkirchen gem. § 311 Abs. 3 S. 2 StPO die Beschwerde für begründet erachtet."
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.
Der Senat hat dem Verurteilten zur Klarstellung Wiedereinsetzung g...