Entscheidungsstichwort (Thema)

persönliche Habe. Genehmigung. Widerruf. Bestandsschutz. Vertrauensschutz

 

Leitsatz (amtlich)

15 Abs. 3 StVollzG NRW enthält keine Ermächtigungsgrundlage zur nachträglichen Beschränkung der ursprünglich mit Zustimmung der Anstalt eingebrachten persönlichen Habe des Gefangenen. Die in § 15 Abs. 3 S. 2 StVollzG NRW vorgesehene Möglichkeit der Beschränkung der Aufbewahrung, die eine Vernichtung, Verwertung oder Entfernung der Sachen aus der Anstalt zulässt, wenn "die Verhältnisse der Anstalt eine Aufbewahrung nicht" zulassen und die Gefangenen sich weigern, die Sachen zu versenden, bezieht sich auf den Zeitpunkt, sobald die Gegenstände "eingebracht" sind. Es handelt sich nicht um eine Ermächtigungsgrundlage für eine (zeitlich unbegrenzte) nachträgliche Beschränkung der persönlichen Habe, was im Fall einer vorgesehenen Beschränkung bisheriger Genehmigungen auch im Rahmen der Abwägung gemäß § 83 Abs. 4 StVollzG NRW zu beachten ist, nach welcher begünstigende Maßnahmen nur dann aufgehoben werden dürfen, wenn das Interesse an der Aufhebung das schutzwürdige Vertrauen der Gefangenen auf den Bestand der Maßnahme überwiegt.

 

Normenkette

StVollzG NRW § 15 Abs. 3; StVollzG NRW § 83 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Aktenzeichen 161 StVK 4/21)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Der angefochtene Beschluss und der Bescheid der JVA Geldern vom 11. Januar 2021 werden - in Bezug auf den angefochtenen Beschluss mit Ausnahme des Gegenstandswertes - aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens insgesamt und die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse (§ 121 Abs. 1 S. 2 StVollzG i.V.m. § 467 StPO analog).

 

Gründe

I.

Der Betroffene befindet sich seit dem 01. September 1986 ununterbrochen in Unfreiheit, derzeit in der JVA Geldern. Gegen ihn sind aus zwei Verurteilungen zwei lebenslange Freiheitsstrafen zu vollstrecken.

Der Betroffene wendet sich gegen den Beschluss der 2. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve (im Weiteren: Strafvollstreckungskammer) vom 16. Februar 2021. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen vom 12. Januar 2021 als unbegründet zurückgewiesen, mit dem der Betroffene sich gegen die Anordnung der JVA Geldern vom 11. Januar 2021 gewandt hatte, nach Einführung eines sog. Haftraummediensystems sein in der Habe befindliches Zweit-TV-Gerät, welches der Betroffene mit Genehmigung der JVA auf eigene Kosten sowohl angeschafft als auch vom Vertragshändler der JVA hatte verplomben bzw. entsprechend der Vorgaben der JVA hatte modifizieren lassen, zum 01. März 2021 entweder durch Versendung an Dritte auf eigene Kosten oder durch Entsorgung auf Kosten der JVA Geldern zu entfernen.

Im Anschluss an den erstinstanzlichen Vortrag der JVA Geldern hat die Strafvollstreckungskammer zur Begründung ausgeführt, die JVA Geldern habe die ursprünglich erteilte Genehmigung zur Anschaffung und Aufbewahrung des Zweit-TV-Gerätes, womit im Falle des Defektes des im Haftraum des Betroffenen in Benutzung befindlichen TV-Gerätes (lange) Wartezeiten wegen einer Ersatzbeschaffung vermieden werden sollten, gemäß §§ 83 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4, 51, 15 StVollzG NRW in rechtlich nicht zu beanstandender Weise widerrufen, zumal Gefangene auf ein Haftraummediensystem unter eigener Kostenbeteiligung verwiesen werden könnten, der Besitz eigener Hörfunk- und Fernsehgeräte in diesem Falle in der Regel nicht gestattet sei und § 15 Abs. 3 StVollzG NRW die Aufbewahrung eingebrachter Sachen der Gefangenen ausdrücklich unter den Vorbehalt der Platzverhältnisse in der Anstalt stelle, wobei es aufgrund der Ausstattung mit Mietgeräten und der für bedürftige Gefangene vorzuhaltenden Leihgeräte die Verhältnisse in der Kammer nicht mehr zuließen, auch Zweitgeräte weiterhin aufzubewahren. Auch überwiege das Interesse an der Aufhebung der Maßnahme das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an deren Fortdauer deshalb, weil der im Haftraum in Benutzung befindliche Fernseher Bestandsschutz genieße und lange Wartezeiten im Falle eines Defektes desselben angesichts der vorgehaltenen Miet- bzw. Leihgeräte nicht zu erwarten seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Der Beschluss ist dem Betroffenen am 19. Februar 2021 zugestellt worden. Am 11. März 2021 hat er dagegen zu Protokoll des Rechtpflegers bei der Auswärtigen Rechtsantragsstelle der JVA Geldern Rechtbeschwerde eingelegt, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt und sein erstinstanzliches Antragsbegehren mit dem Ziel, ihm das in der Habe befindliche Zweitgerät zur "Austauschbenutzung" zu belassen, unter Erhebung der Rüge der Verletzung materiellen Rechts weiterverfolgt.

Das Ministerium der Justiz hat unter dem 11. Mai 2021 Stellung genommen und beantragt, die Rechtsbeschwerde in Ermangelung eines Zulassungsgrundes als unzulässig zu verwerfen. Der Betroffene hat sich daz...

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