Leitsatz (amtlich)
Auch bei der einstweiligen Unterbringung ist die (neue) Sechsmonatsfrist der §§ 121, 122 StPO eine bloße Ordnungsvorschrift.
Nach dem Wortlaut § 126a Abs. 2 Satz 2 StPO kommt es für die Unterbringungsfortdauerprüfung durch das Oberlandesgericht allein darauf an, "ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen". Die Fortdauer der Unterbringung ist nicht an die zusätzlichen Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO gebunden, nämlich dass "die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.
Tenor
Die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung über sechs Monate hinaus wird angeordnet.
Die Prüfung der einstweiligen Unterbringung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.
Gründe
I.
Dem Beschuldigten, der seit dem 22.01.2007 nach § 126a Abs. 1 StPO einstweilig untergebracht ist, wird mit dem Unterbringungsbefehl des des Amtsgerichts Bielefeld - 9 Gs 196/07 - vom 19.01.2007 zur Last gelegt,
"am 29.12.2006 in Bielefeld im Zustand der Schuldunfähigkeit, tateinheitlich,
a)
einen Menschen zu töten versucht zu haben, ohne Mörder zu sein,
b)
eine andere Person mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung körperlich misshandelt und an der Gesundheit beschädigt zu haben."
(...)
Am vorgenannten Tattag gegen 04.45 Uhr würgte er - von Wahnideen besetzt - im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung, A-str. 8, seine Lebensgefährtin J:X. derart heftig, dass die Zeugin keine Luft mehr bekam, ihr schwarz vor Augen und schwindelig wurde. Dabei schrie er: . Als sie sich zu wehren versuchte, drückte er noch fester zu mit den Worten: . Er wollte J.X. töten, weil er annahm, sie beabsichtige seine Einweisung in ein Psychiatrisches Krankenhaus zu veranlassen. Als er kurzfristig seinen Griff löste, konnte J.X. zu ihrer Wohnungsnachbarin flüchten und telefonisch polizeiliche Hilfe herbeirufen."
Am Vorabend der Tat war es zwischen dem Beschuldigten und der Geschädigten bereits zu Spannungen gekommen, da der Beschuldigte die Vorstellung hatte, die Geschädigte habe ein Verhältnis mit ihrem Großvater. Er warf ihr deshalb vor, eine Schlampe zu sein, die nicht richtig beten könne. Sie solle als Vogelscheuche auf einem Feld brennen.
Mit dem geschilderten Tatvorwurf identisch ist die Antragsschrift im Sicherungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 16.04.2007. Sie ist dem Angeschuldigten zugestellt und durch Beschluß des Landgerichts Bielefeld vom 21.05.2007 zugelassen worden.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen des dringenden Tatverdachts auf den Inhalt der Antragssschrift Bezug genommen.
Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens hat das Landgericht die Fortdauer der einstweiligen Anordnung aus den Gründen ihrer Anordnung bestimmt. Gleichzeitig hat es ein weiteres Verfahren (10 KLs 62 Js 484/06 - 14/07 X) , in dem dem Angeklagten mehrere Körperverletzungs- und Sachbeschädigungshandlungen (§§ 223, 303 StGB) vorgeworfen werden, zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung hinzuverbunden.
II.
Die Fortdauer der einstwiligen Unterbringung war entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft anzuordnen, da ihre Voraussetzungen weiterhin vorliegen (§ 126a Abs. 2 S. 2 StPO i.d.F. des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.07.2007, BGBl. I S. 1327, in Kraft getreten am 20.07.2007, nachfolgend: "Unterbringungssicherungsgesetz").
1.
Der Anordnung der Fortdauer der einstweiligen Unterbringung stand nicht schon entgegen, dass die Akten dem Senat nicht rechtzeitig vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist, die am 22.07.2007 endete, vorgelegt worden sind, sondern erst am 08.08.2007. Nach bisher (wohl) h.M. zur Aktenvorlage im Rahmen der Untersuchungshaft ist nämlich allein die verspätete Vorlage der Akten beim Oberlandesgericht kein Grund, den Haftbefehl aufzuheben. Die Sechsmonatsfrist der §§ 121, 122 StPO ist eine bloße Ordnungsvorschrift, deren Verletzung nicht zwangsläufig die Aufhebung des Haftbefehls nach sich zieht (OLG Hamm NStZ-RR 2003, 143; OLG Hamm NJW 1965, 2312; OLG Bamberg NStZ 1981, 403; OLG Bremen NStZ-RR 1997, 334, 336; OLG Karlsruhe NStZ 1997, 452 jew. m.w.N.). Etwas anderes kann auch für die durch das Unterbringungssicherungsgesetz neu eingeführte Sechsmonatsprüfung bei einer einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO nicht gelten. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Sechsmonatstermin zeitlich nur knapp nach Veröffentlichung der Neuregelung im Bundesgesetzblatt und ihrem Inkrafttreten lag. Eine rechtzeitige Vorlage beim Oberlandesgericht wäre daher auch bei einem sofortigen Tätigwerden der Strafverfolgungsbehörden nur schwer möglich gewesen.
2.
Die allein notwendigen Voraussetzungen für die Fortdauer der Unterbringung, nämlich dass die Voraussetzungen der Anordnung der einstweiligen Unterbringung nach § 126a Abs. 1 StPO weiterhin gegeben...