Leitsatz (amtlich)
1. Für die zwangsweise Unterbringung des durch seine Verwahrlosung gefährdeten Betroffenen in einer offenen Alten- oder Pflegeeinrichtung kann eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nicht erteilt werden.
2. Für eine solche Maßnahme fehlt die erforderliche gesetzliche Grundlage; eine analoge Anwendung des § 1906 Abs. 1 BGB kommt insoweit nicht in Betracht.
Normenkette
BGB § 1906 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Dortmund (Aktenzeichen 7 XVII 3400) |
LG Dortmund (Aktenzeichen 9 T 867/01) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die sofortige erste Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG vom 2.10.2001 wird zurückgewiesen.
Die Staatskasse des Landes Nordrhein-Westfalen hat die dem Betroffenen im Verfahren der sofortigen ersten und weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Der Betroffene lebt alleinstehend in einer Dachgeschosswohnung. Er leidet u.a. an einer bluthochdruckbedingten Herzerkrankung mit unzureichender Herzpumpenfunktion, einer Schädigung dreier Herzklappen, einem behandlungsbedürftigen, nicht insulinpflichtigen Diabetes mellitus, einem durch Laborwerte nachgewiesenen Alkoholmissbrauch sowie an einer seine Gehfähigkeit stark einschränkenden, schmerzhaften Hüftkopfentzündung rechtsseitig. Nach den Feststellungen des Sachverständigen …, der im Rahmen des vorliegenden Betreuungsverfahrens den Betroffenen zuletzt am 21.2.2002 begutachtet hat, besteht bei diesem darüber hinaus eine Wesensveränderung, die zu einer Einschränkung seiner Urteils- und Kritikfähigkeit „auf das Drastischste” geführt hat, insb. im Hinblick auf seine gesundheitliche Gefährdung durch sein bestehendes Wohnumfeld und die Möglichkeit einer seine Lebenssituation verbessernden medizinischen Behandlung.
Der Betroffene ist infolge der mit seiner Erkrankung verbunden Antriebsschwäche in einen Zustand der Verwahrlosung geraten. Seine Wohnung ist völlig verdreckt und mit Müll vollgestellt, die vorhandenen Sanitäreinrichtungen sind unbenutzbar, die Heizung ist defekt; die hygienischen Zustände sind insgesamt katastrophal. Der Zustand der Körperpflege und der Bekleidung des Betroffenen entspricht diesem Bild; von ihm geht ein unerträglicher Uringeruch aus. Von der Darstellung näherer Einzelheiten sieht der Senat unter Bezugnahme auf die Berichte des Beteiligten zu 2) und die Darstellung in dem Gutachten des Sachverständigen … ab.
Der Betroffene hält sich selbst für gesund. Er lehnt eine professionelle Hilfestellung sowohl im Hinblick auf seine medizinische Behandlung (u.a. eine Hüftgelenksoperation) als auch die Organisation einer Verbesserung seines Wohnumfeldes zur Vermeidung einer dadurch bedingten gesundheitlichen Gefährdung kategorisch ab.
Das AG hat durch Beschluss vom 7.2.2001 den Beteiligten zu 2) zum Betreuer, den Beteiligten zu 3) im Verhinderungsfall zum Ersatzbetreuer des Betroffenen bestellt, und zwar zunächst lediglich für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge. Durch Beschluss vom 11.4.2001 hat das AG den Aufgabenkreis der Betreuung erweitert auf die Vermögenssorge, Sozialhilfeangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Postbearbeitung mit Ausnahme der rein privaten Post, Rentenangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung vor Behörden und Gerichten sowie ambulante Versorgung. Diese Betreuung hat das AG zuletzt durch Beschluss vom 20.3.2002 mit der Maßgabe verlängert, dass spätestens bis zum 19.3.2004 über eine Aufhebung oder weitere Verlängerung der Betreuung zu entscheiden ist.
Der Beteiligte zu 2) hat mit Schreiben vom 13.9.2001 bei dem AG beantragt, die zwangsweise Einweisung des Betroffenen in ein in U. gelegenes Altenheim vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen. Zur Begründung hat der Beteiligte zu 2) auf die gesundheitliche Gefährdung des Betroffenen in seinem bestehenden Wohnumfeld hingewiesen. Die erforderliche medizinische Behandlung des Betroffenen könne nur gewährleistet werden, wenn er sich dauerhaft in einer Heimeinrichtung aufhalte, in der für ordnungsgemäße hygienische Verhältnisse gesorgt werde. Im Übrigen könne der Betroffene aus dieser Heimeinrichtung heraus weiterhin seine persönlichen Kontakte in der Stadt … pflegen.
Das AG hat den Betroffenen in Gegenwart seines Verfahrensbevollmächtigten vom 1.10.2001 persönlich angehört und sodann durch Beschluss vom 2.10.2001 den Antrag des Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 18.10.2001 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er seinen Antrag weiterverfolgt hat. Das LG hat den Betroffenen in der Sitzung der vollbesetzten Zivilkammer vom 22.1.2002 in Gegenwart seiner Verfahrensbevollmächtigten erneut persönlich angehört. Durch Beschluss vom 28.2.2002 hat das LG in Abänderung der Entscheidung des AG dem Beteiligten zu 2) die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erteilt, den Betroffenen in einem offenen Alten- oder Pflegeheim unterzubringen, sowie die zuständige Behörde ermächtigt, den Betroffenen der v...