Leitsatz (amtlich)
Für den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Versicherungsnehmers ist der Wahlgerichtsstand aus § 215 Abs. 1 ZPO weder am Wohnort des Versicherungsnehmers noch am Sitz des Insolvenzverwalters eröffnet.
Verfahrensgang
LG Essen (Beschluss vom 22.07.2013; Aktenzeichen 18 O 150/13) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Essen vom 22.7.2013 wird zurückgewiesen.
Das Prozesskostenhilfeverfahren wird an das LG Hamburg verwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert beträgt bis zu 2.000 EUR.
Gründe
I. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter der mit der Beklagten über eine Rentenversicherung verbundenen Versicherungsnehmerin Klage vor dem LG Dortmund auf Auszahlung einer Rückvergütung erhoben und dafür die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Das LG hat der in Hamburg ansässigen Beklagten die einfache Abschrift der Antragsschrift übersandt und den Kläger zugleich darauf hingewiesen, dass die örtliche Zuständigkeit des LG Dortmund nicht ersichtlich sei. Auf entsprechenden Antrag des Klägers hat das LG Dortmund sich mit Beschluss vom 29.4.2013 für örtlich unzuständig erklärt und das Prozesskostenhilfeverfahren nach § 281 ZPO an das "nach § 215 Abs. 1 VVG zuständige" LG Essen verwiesen.
Nach Hinweis auf Bedenken im Hinblick auf die eigene örtliche Zuständigkeit hat das LG Essen mit Beschluss vom 22.7.2013 den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Eröffnung der Wohnsitzzuständigkeit in § 215 VVG n.F. nach der Gesetzesbegründung ausschließlich den Interessen des Versicherungsnehmers Rechnung tragen sollte, weshalb sie auf Ansprüche Dritter und insbesondere Klagen des Insolvenzverwalters nicht anzuwenden sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers, mit der er geltend macht, dass er als Insolvenzverwalter dem in § 215 VVG geschützten Versicherungsnehmer zumindest gleichzustellen sei, weil er für das Schuldnervermögen tätig werde. Hilfsweise beantragt er die Verweisung an das örtlich zuständige Gericht.
II. Die zulässige als sofortige Beschwerde statthafte Beschwerde des Klägers gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe führt in der Sache zur Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens an das erstinstanzlich zuständige LG Hamburg.
1. Das LG hat dem Kläger zu Recht keine Prozesskostenhilfe gewährt, weil die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht gegeben ist.
Die Beklagte hat ihren Sitz i.S.d. § 17 Abs. 1 ZPO nicht im Bezirk des LG Essen, sondern in Hamburg.
Eine Zuständigkeit nach § 215 Abs. 1 ZPO hat das LG zu Recht verneint.
Zwar schließt § 215 Abs. 1 VVG n.F. nach seinem Wortlaut die Annahme einer örtlichen Zuständigkeit am Wohnsitz des Versicherungsnehmers für Klagen Dritter nicht aus. Jedoch ist die Vorschrift nach ihrem Sinne und Zweck nicht auf Klagen des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Versicherungsnehmers anzuwenden. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die vom Kläger erstrebte direkte Anwendung des § 215 Abs. 1 VVG mit der Eröffnung eines Gerichtsstands am Wohnort des Versicherungsnehmers als auch für eine denkbare analoge Anwendung der Norm und einen Wahlgerichtsstand am Sitz des Insolvenzverwalters.
Nach der Gesetzesbegründung sollten nach § 215 VVG die Unsicherheiten ausgeräumt werden, die bei Klageerhebung nach § 48 VVG a.F. (Gerichtsstand der Agentur) für den Versicherungsnehmer auftraten und die sich über § 29c ZPO nicht umgehen ließen, weil dessen Anwendbarkeit auf Versicherungsverträge nicht eindeutig sei (BT-Drucks. 16/3945, 848). Aus dieser (auch) verbraucherschützenden Intention von § 215 VVG lässt sich zwar darauf schließen, dass auch für Versicherte und Bezugsberechtigte sowie für Personen, die in die Vertragsstellung des Versicherungsnehmers nachfolgen, eine Wohnsitzzuständigkeit in analoger Anwendung von § 215 Abs. 1 VVG gegeben ist, weil sie wie der Versicherungsnehmer in einer vertraglichen Sonderbeziehung zum Versicherer stehen und dabei eine potentiell unterlegene Position innehaben (Römer/Langheid, VVG 3. Aufl. 2012, § 215 Rz. 3; Prölls/Martin/Klimke, VVG 28. Aufl. 2010, § 215 Rz. 13 ff., 17 ff.).
Für den Insolvenzverwalter gilt dies nicht. Gerade weil er nicht eigene Rechte aus einer vertraglichen Sonderbeziehung zum Versicherer geltend macht, sondern für eine fremde Vermögensmasse tätig wird, fehlt es an seiner persönlichen Schutzbedürftigkeit und damit an einer dem Versicherungsnehmer vergleichbaren Interessenlage. Insoweit ist der Insolvenzverwalter auch nicht mit Grundpfandgläubigern oder Zessionaren zu vergleichen, die (zumindest zeitweise) eigene Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend machen und nach der Konzeption des VVG (in §§ 94, 142-149 VVG) in Teilbereichen ebenso schutzwürdig sein könnten wie der Versicherungsnehmer (streitig, vgl. dazu MünchKomm/Looschelders, VVG 2011, § 215 Rz. 25; Looschelders/Pohlmann/Wolf, VVG, 2. Aufl. 2011, § 215 Rz. 6). Das Interess...