Leitsatz (amtlich)
1. Ist eine Strafvollstreckungskammer (im Folgenden: "bisherige StVK") mit der Frage des Widerrufs der Strafaussetzung befasst, entfällt ihre damit einmal begründete örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung dieser Widerrufsfrage nicht deshalb, weil der Verurteilte nach dem Zeitpunkt der Befassung, aber noch vor der Entscheidung über die in Rede stehende Widerrufsfrage zur Verbüßung von Strafhaft in anderer Sache in eine JVA im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer (im Folgenden: "neue StVK") aufgenommen wird.
2. Entscheidet die "bisherige StVK" in diesem Falle, die Strafaussetzung nicht zu widerrufen, sondern die Bewährungszeit zu verlängern, ist damit über die zur Entscheidung anstehende Widerrufsfrage abschließend entschieden und die Zuständigkeit der "bisherigen StVK" ausgeschöpft.
3. Die Zuständigkeit für die weitere Bewährungsaufsicht und etwaige weitere Nachtragsentscheidungen geht in dieser Fallkonstellation auf die "neue StVK" über. Dies gilt auch dann, wenn sich der Verurteilte zum Zeitpunkt der Entscheidung der "bisherigen StVK" zur Bewährungszeitverlängerung nach vollständiger Strafverbüßung in der anderen Sache schon wieder auf freiem Fuß befand (Anschluss an BGH, Beschluss vom 11.08.1999 - 2 ARs 161/99 - ≪juris≫).
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 100 StVK 1264/10 Bew) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Duisburg verurteilte den Beschwerdeführer in dem der vorliegenden Strafvollstreckungssache vorausgegangenen Erkenntnisverfahren am 8. Mai 2008 wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, deren
Vollstreckung das Gericht unter Festsetzung einer Bewährungszeit von fünf Jahren zur Bewährung aussetzte. Nach dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils am 16. Mai 2008 gab das Amtsgericht die Bewährungsaufsicht zuständigkeitshalber an das Landgericht Bielefeld - Strafvollstreckungskammer - ab, das damals bereits den Bewährungsverlauf des Beschwerdeführers aufgrund einer im Jahre 2005 in einem anderen Verfahren erfolgten Strafrestaussetzung überwachte.
Mit Urteil vom 10. Februar 2009, rechtskräftig seit dem 28. Oktober 2009, verhängte das Amtsgericht Duisburg gegen den Beschwerdeführer wegen Diebstahls eine Freiheitsstrafe von einem Monat ohne Strafaussetzung zur Bewährung. Gegenstand der Verurteilung war eine am 16. Oktober 2008 begangene Tat.
Eine Ausfertigung des Urteils vom 10. Februar 2009 mit Rechtskraftvermerk ging am 28. Januar 2010 beim Landgericht Bielefeld ein und gelangte dort zum Bewährungsheft in der vorliegenden Sache. Mit Verfügung vom 18. Februar 2010 ordnete der Vorsitzende der dortigen Strafvollstreckungskammer unter Bezugnahme auf die Verurteilung vom 10. Februar 2009 die schriftliche Anhörung des Verurteilten zur Frage des Widerrufs der durch das Urteil vom 8. Mai 2008 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung an.
Am 19. Februar 2010 wurde der Verurteilte zur Verbüßung der durch das Urteil vom 10. Februar 2009 verhängten einmonatigen Freiheitsstrafe in die JVA
Moers-Kapellen (Landgerichtsbezirk Kleve) aufgenommen. Dort verblieb er auch und wurde nach vollständiger Verbüßung dieser Strafe am 18. März 2010 wieder in die Freiheit entlassen.
Mit Beschluss vom 7. Juli 2010 sah die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld von einem Widerruf der durch das Urteil vom 8. Mai 2008 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung ab und verlängerte stattdessen die Bewährungszeit um ein Jahr auf insgesamt sechs Jahre. Das Bewährungsheft verblieb nach dieser Entscheidung beim Landgericht Bielefeld.
Mit Urteil vom 17. Mai 2011, rechtskräftig seit dem 25. Mai 2011, verhängte das Amtsgericht Duisburg gegen den Beschwerdeführer wegen versuchten Betruges eine Freiheitsstrafe von einem Monat ohne Strafaussetzung zur Bewährung. Gegenstand der Verurteilung war eine am 19. Januar 2011 begangene Tat.
Eine Ausfertigung des Urteils vom 17. Mai 2011 mit Rechtskraftvermerk ging am 29. Juli 2011 beim Landgericht Bielefeld ein und gelangte dort zum Bewährungsheft in der vorliegenden Sache. Mit Verfügung vom 2. August 2011 ordnete der Vorsitzende der dortigen Strafvollstreckungskammer unter Bezugnahme auf die Verurteilung vom 17. Mai 2011 die schriftliche Anhörung des Verurteilten zur Frage des
Widerrufs der durch das Urteil vom 8. Mai 2008 gewährten Strafaussetzung zur
Bewährung an.
Am 29. August 2011 wurde der Verurteilte zum Zwecke der Vollstreckung der durch das Urteil vom 17. Mai 2011 verhängten einmonatigen Freiheitsstrafe von Beamten des Polizeipräsidiums Duisburg festgenommen. Nach der Festnahme gelangte der Verurteilte über die JVA Duisburg am 1. September 2011 in die JVA Moers-Kapellen, wo er bis zur vollständigen Verbüßung der Strafe aus dem Urteil vom 17. Mai 2011 verblieb.
Mit Beschluss vom 13. September 2011 widerrief das Landgericht Bielefeld
- Strafvollstreckungskammer - unter Hinweis auf die erneute Verurteilung vom
17. Mai 2011 die durch das Urteil vom 8. Mai 2008 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. Der Beschl...