Leitsatz (amtlich)
1. Der Unterhaltsanspruch nach § 1571 BGB besteht auch dann, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte nicht im Laufe einer langjährigen Ehe alt und unterhaltsbedürftig geworden ist, sondern bereits bei Eheschließung altersbedingt einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen konnte.
2. § 1571 BGB verlangt keine ehebedingte Bedürfnislage, so dass allein das Vorliegen einer Altersehe bzw. das Fehlen einer ehebedingten Bedürfnislage keine Gründe zur Unterhaltsbegrenzung nach § 1579 Nr. 8 BGB darstellen.
3. Zur Verminderung seiner Bedürftigkeit ist der Unterhaltsbedürftige nach § 1577 Abs. 1 BGB gehalten, neben seinen Renteneinkünften auch das ihm aus dem Verkauf des zu Ehezeiten bewohnten bebauten Grundstücks zugeflossene Vermögen für Unterhaltszwecke einzusetzen.
4. Im Rahmen der gebotenen Verwertung des Vermögensstamms, ist der Vermögensbetrag auf die voraussichtliche Dauer der Unterhaltsbedürftigkeit umzurechnen.
Normenkette
BGB § 1571 Nr. 1, § 1578 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Wetter (Aktenzeichen 5 F 185/21) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 11.01.2023 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Olpe abgeändert.
Die Antragstellerin wird verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung an den Antragsgegner einen nachehelichen Unterhalt i.H.v. monatlich 1.297,00 EUR zu zahlen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.564,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Beteiligten haben am 00.00.2007 geheiratet. Zu diesem Zeitpunkt war die Antragstellerin 52 Jahre und der Antragsgegner 51 Jahre alt.
Die Trennung erfolgte im Mai 2020 zunächst in der ehelichen Wohnung, einer Doppelhaushälfte, die die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Eheschließung nach dem Verkauf ihrer bestehenden Immobilie und zusätzlicher Aufnahme einer Darlehensverpflichtung zu Alleineigentum erworben hatte.
Die Renovierung der Doppelhaushälfte, es handelte sich um ein älteres, verwohntes Haus, haben die Beteiligten gemeinsam durchgeführt und dabei Aufwendungen in unterschiedlicher Höhe, wobei Einzelaufträge bis zu rd. 3.000,00 EUR erteilt wurden, getragen.
Nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Antragsgegners war die Doppelhaushälfte nach den Planungen der Eheleute als Altersversorgung gedacht.
Im Juli 2020 ist die Immobilie veräußert und der Veräußerungserlös entsprechend einer notariellen Vereinbarung zum Zugewinn vom 15.04.2021 zwischen den Beteiligten hälftig geteilt worden, so dass der Antragsgegner 65.000,00 EUR erhielt. Seit der Veräußerung leben die Beteiligten auch räumlich getrennt.
Aufgrund des von der Antragstellerin betriebenen Scheidungsverfahrens ist die Ehe mit Beschluss vom 11.01.2023, rechtskräftig seit dem 22.04.2023, geschieden und der Versorgungsausgleich seitens des Familiengerichts durchgeführt worden.
Die Antragstellerin befindet sich seit mehreren Jahren im Bezug von Ruhegehalt seitens des Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW (nachfolgend: LBV) sowie im Bezug einer Regelaltersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund (nachfolgend: DRV).
Der Antragsgegner war im Wesentlichen als (..) selbständig und hat im Ergebnis nur geringe Rentenanwartschaften außerhalb der Ehezeit erworben und daneben keine sonstige Altersvorsorge betrieben.
In den ersten Ehejahren hat er gut verdient, bis die von ihm geführte Firma im Jahre 2013 insolvent wurde. Seit dem Jahr 2018 geht der Antragsgegner keiner Erwerbstätigkeit mehr nach, wobei die Gründe streitig sind.
Er hat behauptet, seit 2018 erwerbsunfähig erkrankt zu sein (Herzinsuffizienz) und hat die Ansicht vertreten, die Antragstellerin, die bislang bereits Trennungsunterhalt in Höhe von 1.900,00 EUR monatlich gezahlt habe, sei auch zur Zahlung von nachehelichen Unterhalt verpflichtet.
Er hat erstinstanzlich beantragt,
die Antragstellerin zu verpflichten, an ihn beginnend mit dem 1. auf die Rechtskraft der Scheidung folgenden Monat einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.405,00 EUR zu zahlen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs entfalle ein Unterhaltsanspruch. Der Antragsgegner habe keine ehebedingten Nachteile erlitten, vielmehr durch den Versorgungsausgleich und die Zugewinnausgleichszahlung nur Vorteile aus der Ehe erlangt.
Das Familiengericht hat mit dem am 11.01.2023 verkündeten Beschluss die Ehe der Beteiligten geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antrag auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs seien die Voraussetzungen für einen nachehelichen Unterhaltsanspruch entfallen. Ansonsten würde der Antragsgegner an den Einzahlungen der Antragstellerin aus der Zeit vor der Heirat partizipieren.
Gegen den am 20.01.2023 zugestellten Beschluss hat sich der Antragsgegner mit seiner am 09.02.2023 eingegangenen und mit Schriftsatz vom 17.03.2023 begründete...