Leitsatz (amtlich)
1. Nach der Vermögensauseinandersetzung unter (vormaligen) Ehegatten setzt sich ein die ehelichen Lebensverhältnisse prägendes mietfreies Wohnen (Wohnwert) bei dem die Ehewohnung zu Alleineigentum übernehmenden und diese weiterhin bewohnenden Ehegatten fort (Anschluss an: BGH FamRZ 2005, 1817). Bei dem ausbezahlten Ehegatten sind - fiktive - (Zins-)Einkünfte aus dem Erlös als Surrogat des vormaligen mietfreien Wohnens als prägendes Einkommen zu berücksichtigen.
2. Fiktive Haushaltsführungseinkünfte können nur bei demjenigen angesetzt werden, der die haushaltsnahen Dienstleistungen erbringt, nicht jedoch bei dem, der sie empfängt.
3. Darlehen, deren Aufnahme von einem Ehegatten zur Finanzierung der Auszahlung des anderen Ehegatten im Rahmen der ehelichen Vermögensauseinandersetzung notwendig waren, können unterhaltsrechtlich lediglich mit ihrer Zinslast, nicht jedoch mit den Tilgungsbeträgen in Abzug gebracht werden. Das gilt auch dann, wenn das Darlehen zur Übernahme der vormaligen Ehewohnung aufgenommen wurde.
4. Ehebedingte Nachteile im Sinne des § 1578b BGB ergeben sich nicht durch infolge der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe erworbenen geringeren Rentenanwartschaften, wenn für diese Zeit ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat. Nachteile in der Versorgungsbilanz sind dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit vollständig ausgeglichen. Somit liegt selbst dann kein auf die Ehezeit bezogener ehebedingter Nachteil i.S.d. § 1578b BGB vor, wenn die tatsächliche Altersrente unter Einschluss des Versorgungsausgleichs hinter derjenigen Rente zurückbliebe, welche ohne Ehe und Kindererziehung hätte erzielt werden können (Anschluss an: BGH FamRZ 2018, 1421).
Normenkette
BGB §§ 1572, 1573 Abs. 2, §§ 1578, 1578b, 1609
Verfahrensgang
AG Daun (Aktenzeichen 2a F 21/22) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss und Teil-Anerkenntnisbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Daun vom 01.04.2022, Az. 2a F 21/22, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.127 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten waren vom 23.06.1999 bis 26.04.2021 verheiratet. Aus der Ehe sind zwei mittlerweile volljährige Kinder hervorgegangen, von denen die Tochter im März 2022 ihr Studium beendet hat, während der Sohn noch studiert. Der Antragsgegner leistete während des Studiums an die gemeinsame Tochter unter Berücksichtigung deren Bezugs von BAföG-Leistungen 397 EUR/mtl. Kindesunterhalt; an den Sohn zahlt er nach bedarfsminderndem Abzug des an diesen ausbezahlten BAföG-Betrags weiterhin einen Kindesunterhalt von 456 EUR/mtl. Die Antragstellerin ist seit 2007 krankheitsbedingt arbeitsunfähig verrentet. Während der Ehe lebte die Familie in einem beiden Ehegatten gehörenden finanzierten Eigenheim. Dieses übernahm der Antragsgegner im Zuge der trennungsbedingten Auseinandersetzung unter Übernahme der Hausschulden zu Alleineigentum. Die Antragstellerin erhielt im Gegenzug eine Auszahlung von 117.823 EUR.
Mit der angefochtenen Entscheidung, auf welche zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstands verwiesen wird, hat das Familiengericht den Antragsgegner unter Berücksichtigung der in der Vergangenheit gezahlten Beträge von Dezember bis März 2022 zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von 406 EUR und ab April 2022 in Höhe von 585 EUR verpflichtet. Des Weiteren hat es die Unterhaltszahlungspflicht bis einschließlich März 2028 begrenzt. Dabei ist es von den grundsätzlich unstreitigen Einkommensverhältnissen der Beteiligten ausgegangen und hat vor der Ermittlung des Ehegattenunterhalts beim Antragsgegner den von diesem geleisteten Kindesunterhalt in Abzug gebracht. Die Berücksichtigung eines Wohnwerts hat es auf Seiten des Antragsgegners hingegen mit der Begründung abgelehnt, dass die Immobilie mit der hier vor der Scheidung erfolgten Auseinandersetzung ihre Zweckbestimmung als Ehewohnung und damit ihren Charakter als für die ehelichen Lebensverhältnisse prägend verloren habe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie begehrt weitergehenden sowie unbefristeten Unterhalt in unterschiedlicher Höhe ab Januar 2021 und ist der Ansicht, dem Antragsgegner sei ein Wohnwert für das von ihm bewohnte, vormalige eheliche Anwesen einkommenserhöhend zuzurechnen. Dies gelte umso mehr, als der Antragsgegner eine Dame bei sich aufgenommen habe. Diese erbringe ihm zudem haushaltsnahe Dienstleistungen, wodurch sich sein Einkommen ebenfalls erhöhe. Eine Befristung des Unterhalts scheide aufgrund der langen Ehedauer, der erlittenen erheblichen ehelichen Nachteile und aus Gründen der nachehelichen Solidarität aus, weil sich die Antragstellerin im Zuge der gemeinsamen Familienplanung auf eine entsprechende Absicherung verlassen habe. Zu dieser Zeit sei eine Befristung von nachehelichem Unterhalt noch nicht abzusehen gewesen. Gerade im vorliegenden Fall, wo die Antragstellerin gesundheitlich nicht in ...