Leitsatz (amtlich)

Der Begriff der unentschuldigten Säumnis in § 329 Abs. 1 StPO setzt nicht nur eine Pflichtverletzung des Angeklagten in objektiver, sondern auch in subjektiver Hinsicht voraus. Dazu muss das Verwerfungsurteil tatsächliche Ausführungen enthalten.

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Entscheidung vom 03.09.2003)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Hagen mit Urteil vom 21. März 2003 wegen gemeinschaftlich begangenen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden. Hiergegen hat er form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Das Landgericht hat daraufhin den Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 03. September 2003 bestimmt. In der Hauptverhandlung ist der Angeklagte, der am 18. Juli 2003 ordnungsgemäß geladen worden ist, nicht erschienen. Der Verteidiger des Angeklagten hat in der Hauptverhandlung eine vom Angeklagten stammende Email vom 1. September 2003 verlesen, in der es u.a. heißt:

"....leider kann ich in der Hauptverhandlung nicht erscheinen, weil mir die Fahrtkosten fehlen. Ab heute habe ich einen festen Arbeitsjob. Mit den gelegentlichen Jobs habe ich noch niemals das nötige zum leben verdient. Ich hatte auch keine Möglichkeit die Fahrtkosten durch Privatdarlehen zu sichern, weil ich hier ganz allein bin. Ich bitte Sie das Gericht entsprechend zu informieren. Ich möchte Sie noch mal bitten, mich vor Gericht, selbst wenn ich abwesend bin, zu verteidigen. ......".

Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Diese Entscheidung hat es wie folgt begründet:

"Der Angeklagte hat gegen das Urteil vom 21. März 2003 zwar rechtzeitig Berufung eingelegt, ist aber in dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung, ungeachtet der durch die Urkunde vom 18. Juli 2003 nachgewiesenen Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden.

Er hat auch seit längerem Kenntnis vom Termin. Seine Erklärung, er habe kein Geld für eine Anreise aus Griechenland ist keine ausreichende Entschuldigung. Zum einen hätte der Angeklagte sich rechtzeitig darum kümmern müssen, seine Reise nach Deutschland antreten zu können und hierfür entsprechende Anträge stellen können. Zum anderen hatte er vor Ausreise bedenken müssen, dass in dem laufenden Berufungsverfahren die Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins zu erwarten war, zu dem er erscheinen muss........."

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte nun noch mit der Revision, nachdem sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch den Beschluss des Landgerichts vom 17. Oktober 2003 rechtskräftig verworfen worden ist. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht Hagen zurückzuverweisen.

II.

Die Revision des Angeklagten hat - zumindest vorläufig - Erfolg, sodass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen war.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Aufhebungsantrag wie folgt begründet:

"Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Revision ist rechtzeitig eingelegt und fristgerecht in noch zulässiger Weise begründet worden.

Wird mit der Revision gegen ein gem. § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil geltend gemacht, dieses gehe zu Unrecht davon aus, der Angeklagte sei nicht genügend entschuldigt gewesen, setzt die Überprüfung der vom Landgericht vorgenommenen Wertung die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, § 329 Rdnr. 48). An die Zulässigkeit dieser Verfahrensrüge werden keine strengen Anforderungen gestellt, zumal das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, die in der Revisionsbegründung nicht wiederholt zu werden brauchen, gebunden ist (zu vgl. OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 07.10.1999 - 2 Ss 1011/99). Ergibt sich, dass der Angeklagte Entschuldigungsgründe vorgebracht hat, so ist es ausreichend, wenn ausgeführt wird, das Berufungsgericht habe das Ausbleiben des Angeklagten nicht als unentschuldigt ansehen dürfen (zu vgl. OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 02.10.2002 - 2 Ss 839/02). Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung.

Die somit zulässig mit der Verfahrensrüge begründete Revision hat auch in der Sache Erfolg, weil die Begründung des angefochtenen Urteils aus Rechtsgründen zu beanstanden ist. Sie genügt nämlich nicht den von der Rechtsprechung an den notwendigen Inhalt eines gem. § 329 Abs. 1 StPO ergangenen Verwerfungsurteils zu stellenden Anforderungen.

Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte m...

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