Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen der Berücksichtigung eines - hier verneinten - zögerlichen Regulierungsverhaltens des Kfz-Haftpflichtversicherers bei der Schmerzensgeldbemessung.

2. Zur Vermeidung von extremen und nicht mehr hinnehmbaren Systemausreißern nach oben oder unten hält der Senat den bisherigen Weg, bei der Schmerzensgeldbemessung das Schwergewicht auf die maßgeblichen Gesichtspunkte des Einzelfalles zu legen und erst in einem zweiten Schritt zur Orientierung vorhandene vergleichbare Gerichtsentscheidungen in den Blick zu nehmen, für weiterhin vorzugswürdig (wie OLG Hamm Urt. v. 5.3.2021 - 9 U 221/19, BeckRS 2021, 5414 Ls. 3).

3. Zur Abgrenzung eines Erwerbsschadens von vermehrten Bedürfnissen beim landwirtschaftlichen Nebenerwerb aus einem Wildtierbestand nebst Rindern und Pferden und zu den Darlegungsanforderungen eines Erwerbsschadens.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 6 O 389/15)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss zurückzuweisen, da sie nach einstimmiger Ansicht im Senat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht der Fortbildung des Rechts oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dient.

Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen gegeben.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung weiteren Schmerzensgeldes, Ersatz behaupteter Mehrbedarfe in Höhe von rechnerisch 59.255,07 EUR im Zusammenhang mit Arbeiten an "Dach und Fach" und "Haus und Hof", Zahlung einer monatlichen Mehrbedarfsrente ab dem 1.1.2015 nebst Zinsen sowie Freistellung von weiteren Rechtsanwaltskosten. Unter der Begrifflichkeit "Arbeiten an Dach und Fach" fasst der Kläger die Geltendmachung von Kosten für Arbeiten am Dach der Tenne und Einfriedungskosten zusammen. Unter der Begrifflichkeit "Arbeiten an Haus und Hof" fasst der Kläger die Geltendmachung von Versorgungskosten für seinen verbliebenen Damwildbestand sowie Kosten für allgemeine Arbeiten auf dem Hof zusammen.

Die Geltendmachung dieser Ansprüche steht im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall am ....2008 auf der N-Straße in Höhe Q-Straße gegen 7:30 Uhr morgens. Der Kläger fuhr von J außerorts in Richtung C. In Höhe der in Fahrtrichtung rechts einmündenden Q-Straße beschreibt die N-Straße aus Fahrtrichtung des Klägers kommend eine leichte Linkskurve. Herr S, dessen Pkw X - amtliches Kennzeichen ...-... 2006 - bei der Beklagten zum Unfallzeitpunkt haftpflichtversichert war, fuhr in seiner - aus Klägersicht (Gegen-) - Fahrbahn dem Kläger entgegen. Statt in seiner - aus Sicht des Herrn S - Rechtskurve auf seiner Fahrbahn zu fahren, geriet der Pkw X von Herrn S auf die Gegenfahrbahn und erfasste den klägerischen SUV M mit dem amtlichen Kennzeichen ...-... 60 frontal. Dass die Beklagte als Haftpflichtversicherer für die Unfallfolgen dem Grunde nach vollständig haftet, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

Die Beklagte hat vorgerichtlich bereits Zahlungen in Höhe von 55.000,- EUR in zwei Teilzahlungen von 10.000,- EUR und weiteren 45.000,- EUR auf die Schmerzensgeldforderungen und weitere 5.000,- EUR auf Verdienstausfall geleistet. Zudem erstattete die Beklagte vorgerichtlich sämtliche materiellen Kfz-Schäden in Höhe von 13.907,87 EUR.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz und der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht Bielefeld dem Schmerzensgeldanspruch in Höhe geltend gemachter 110.000,- EUR in Höhe von (weiteren) 25.000,- EUR entsprochen. Insoweit ist das Landgericht von einem insgesamt angemessenen Schmerzensgeld von 80.000,- EUR ausgegangen und hat unter Berücksichtigung vorgerichtlicher Zahlungen der Beklagten von 55.000,- EUR auf die Schmerzensgeldforderungen des Klägers weitere 25.000,- EUR zuerkannt. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das Landgericht insbesondere die multiplen Verletzungen, die damit unmittelbar nach dem Unfall bestehende Lebensgefahr sowie die aus den multiplen Verletzungen resultierenden Dauerfolgen berücksichtigt.

Ebenso hat das Landgericht dem Anspruch des Klägers auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus dem vorgenannten Verkehrsunfall entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist, stattgegeben. Mit Blick auf die begehrte Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren hat es eine Kürzung vorgenommen und diese vom Umfang des Obsiegens ausgehend berechnet und zuerkannt.

Die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz der Mehrbedarfe und auf Zahlung einer monatlichen Mehrbedarfsrente hat das Landgericht mit der Begründung abgewiesen, dass die Haltung von P...

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